Der Markt für Netzausrüster

Navigieren in schwerer See

24.09.2008
Von Christian Weyer

Magere Gewinnmargen für Netzausrüster

Die Zeiten, in denen die Netzausrüster hohe zweistellige Gewinnmargen erzielen konnten, sind offenkundig vorbei. Mit einer Umsatzrendite von etwa 30 Prozent ist demnach Cisco Systems mit weitem Abstand vor der Konkurrenz erfolgreichster Anbieter im Bereich Netzwerkausrüstung. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass Cisco von seiner starken Position im Bereich Datennetzwerke profitiert. Die US-Firma ist deutlich weniger abhängig vom Geschäft mit Netzbetreibern als beispielsweise Alcatel-Lucent, Ericsson oder Nortel. Alcatel-Lucent kam 2005 und 2006 auf eine Gewinnspanne von sieben bis neun Prozent. Im Jahr darauf musste der Konzern einen Verlust ausweisen. Der amerikanische Voice-over-IP-Spezialist Avaya erzielte, bezogen auf den Umsatz, eine Rendite von sechs bis acht Prozent. Deutlich schlecht erging es in den vergangenen drei Jahren Nortel Networks. Die kanadische Firma wies einen Verlust von etwa zwei Prozent aus.

Mobilfunk und Festnetz werden eins

Dass sich an der angespannten Situation für die Betreiber von Netzen - und damit für ihre Zulieferer - etwas ändert, ist nicht zu erwarten. Im Gegenteil: Die Konsolidierung des Telekommunikationsmarktes in Deutschland setzt sich fort. Bereits im vergangenen Jahr entwickelte sich ein Trend, der auch 2008 fortwirkt: das Zusammenwachsen von Mobilfunk- und Festnetz. Besonders deutlich wird das am Beispiel der Mobilfunk-Carrier Vodafone und O2 Germany. Beide setzen nicht mehr alleine auf Mobilfunk, sondern vermarkten verstärkt Breitband-Festnetzanschlüsse.

O2 Germany wurde vom spanischen Konzern Telefonica geschluckt, einem der größten Netzbetreiber in Europa und Südamerika. Konsequenterweise macht O2, das einst das Festnetztelefon zum Auslaufmodell erklärt hatte, nun massiv Werbung für DSL-Anschlüsse. Die Backbone-Netze beider Unternehmen werden zu diesem Zweck gegenwärtig miteinander verschmolzen. Die neue Strategie lautet: alles aus einer Hand, vom mobilen Internet-Zugang über Breitband-Mobilfunkverbindungen bis hin zum Telefonieren, Videos ansehen und Internet-Surfen über kabelgebundene DSL-Leitungen. Dieselbe Strategie verfolgt Vodafone. Der Mobilfunk-Carrier übernahm zu diesem Zweck Arcor, den nach der Deutschen Telekom zweitgrößten Anbieter von Festnetz-Telekommunikationsdiensten in Deutschland.

Dieser Strategiewechsel der großen Service-Provider ist auf drei Faktoren zurückzuführen:

  • Festnetzdatendienste werden stärker genutzt. Der Bitkom registrierte 2007 in diesem Marktsegment einen Umsatzzuwachs um 5,1 Prozent auf 12,8 Milliarden Euro. Für die Netzausrüster wiederum bedeutet das eine weiterhin starke Nachfrage nach Hochleistungs-Switches für IP-Backbone-Netze und DSL-Ausrüstung.

  • Im Festnetz gibt es, wenn auch von geringer Basis aus, einen Trend in Richtung Voice over IP. Der Anteil der VoIP-Gesprächsminuten in Deutschland stieg 2007 laut Bitkom von neun auf 16 Milliarden. Zum Vergleich: 68,3 Milliarden Minuten entfielen auf Mobilfunknetze, an die 169 Milliarden auf das klassische Festnetz, bei diesem jedoch mit stark sinkender Tendenz. Damit bleibt auch die Nachfrage nach Voice-over-IP-Systemen in Backbone-Netzen und Vermittlungsknoten hoch.

  • Diensteanbieter hoffen, dass Nutzer von Mobilfunkdiensten stärker auf Datenservices zurückgreifen, Stichwort »mobiles Internet«. Dies soll die sinkenden Einnahmen im Geschäft mit Mobilfunk-Sprachverbindungen kompensieren. Denn diese gingen in Deutschland im vergangenen Jahr um 2,2 Prozent auf 22,1 Milliarden Euro zurück. Die Folge: Die Netzbetreiber rüsten ihre Mobilfunknetze für Breitbanddienste auf, etwa für das Herunterladen von Musikdateien und Videos sowie für den Zugriff von Geschäftskunden auf Daten und Anwendungen im Firmennetz. Die Grundlage bilden Techniken wie HSPA (High-Speed Packet Access) und Edge (Enhanced Data Rates for GSM Evolution).

Der Umbau der Festnetz- und Mobilfunknetze, zu dem die Carrier wegen des Konkurrenzdrucks gezwungen sind, hat für Anbieter von Netzausrüstung wie beispielsweise Alcatel-Lucent seine guten Seiten: »Web 2.0, Video- und Musikdienste und Online-Spiele sind so beliebt wie nie«, sagt Alf Wulf, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Alcatel-Lucent Deutschland AG. »Möglich gemacht haben das DSL und der aggressive Wettbewerb bei Telefon- und Internet-Flatrates. Die DSL-Anbieter gewinnen kontinuierlich neue Teilnehmer. Als Ausrüster profitieren wir von diesem Trend.«

Jens Leuchters, Country Manager des Service-Providers Interoute, bestätigt, dass immer mehr Echtzeitdienste über die IP-Backbones der Netzbetreiber laufen: »Service-Provider transportieren eine ganze Reihe von Echtzeitanwendungen über ihre Infrastrukturen. Dazu gehören bereits seit längerer Zeit Voice over IP, aber verstärkt auch IP-TV oder Video over IP.« Interoute selbst registriert bei Sprache über IP einen Boom. »Andere Anwendungen stellen kein Problem für unser Netz dar, wurden bislang aber schlichtweg nicht angefragt«, so Leuchters.