Augmented Reality im Auto

Wie AR den Straßenverkehr bereichert

29.10.2019
Von 


Nils Lenke leitet ein Team, das sich auf disruptive Innovationen in der Automobilindustrie konzentriert, insbesondere an der Multimodalität des HMI im Auto, der Fahrer- und Fahrzeuginnenraum­überwachung und der Gewinnung von Antworten aus unstrukturierten Daten. Er hat einen Doktortitel in Computerlinguistik, zwei Masterabschlüsse, ein Diplom und 13 Patente. Lenke vertritt Cerence auch im Aufsichtsrat des DFKI, Deutschlands führendem Forschungsinstitut für Künstliche Intelligenz.
Wenn es darum geht, Autofahrern relevante Informationen über ihre Umgebung bereitzustellen, wird Augmented Reality (AR) in Zukunft eine wichtige Rolle spielen.

Augmented Reality (AR), die Überlagerung von Bildern der Realität mit virtuellen Animationen, kennt man von Spielen wie Pokémon Go. Doch die Technologie hält auch Einzug in Kraftfahrzeuge. Dabei gibt es verschiedene spannende Anwendungsfälle: mit Wearable-Technologie, Head-up-Displays (HUD) oder sogar der Windschutzscheibe des Fahrzeugs als echtem, semitransparentem Display. Der Unterschied zwischen den letzten beiden Möglichkeiten ist, dass ein HUD nur für den Fahrer und nur aus einem bestimmten Winkel einsehbar ist, während bei den neuen "smarten" Windschutzsscheiben jeder der Insassen ein echtes Bild sehen kann. Ziel ist es jeweils, den Insassen relevante Informationen zu liefern.

Augmented Reality auf der Straße: Windschutzscheibe mit semitransparentem Display
Augmented Reality auf der Straße: Windschutzscheibe mit semitransparentem Display
Foto: Cerence

AR als zusätzliche Ausgabemodalität, kombiniert mit verschiedenen Eingabemodi wie Sprache, Blickverfolgung und Gestenerkennung, verbessert die Benutzerfreundlichkeit und bietet einfachen Zugang zu einer Vielzahl von Informationen. Im Auto können das Sensorinformationen sein, beispielsweise um den toten Winkel auszuleuchten oder es könnte einfach nur der Zugang zu Informationen wie der Kontaktliste unseres Telefons sein. Die Fortschritte in den Display-Technologien und im Zusammenhang mit dem Head-Up Display (HUD) und AR erweisen sich als richtungsweisend für die Bereitstellung von Informationen.

Augmented Reality - tragbar oder integriert?

Es gibt typischerweise zwei grundsätzliche Arten von Displays, die für Augmented-Reality-Anwendungen in Frage kommen: Wearables und die im Auto integrierten Displays. Wearable AR funktioniert mit einer Brille, die zusätzliche Informationen über die Welt, die wir sehen, legen kann. Dieser Ansatz kann nahtlos zwischen verschiedenen Szenarien wechseln und der Umgebung Kontext hinzufügen, unabhängig davon, wo sich der Benutzer befindet. Beispielsweise kann ein Nutzer sein Auto in einem Parkhaus in einer fremden Stadt abstellen und die Brille leitet ihn dann direkt zu seinem endgültigen Ziel.

Der Wearable-Ansatz hat aber nicht nur Vorteile, so kann eine Brille beim Fahren stören. Außerdem ist sie ein zusätzliches Gerät, das man neben allen anderen im Alltag mitführen muss. Daneben existieren Ansätze, die Projektionsfläche für AR ins Fahrzeug selbst zu integrieren. Dabei gibt es wiederum zwei verschiedene Möglichkeiten: videobasierte und windschutzscheibenbasierte Augmented Reality, beziehungsweise Head-Up Displays. Videobasierte AR-Systeme nutzen das Bild der nach vorne gerichteten Kamera des Fahrzeugs und legen darüber eine zusätzliche Informationsschicht. Ein berühmtes Beispiel aus jüngster Zeit ist die neue Mercedes-Benz A-Klasse, die eine AR-basierte Navigationsanwendung mit der Frontkamera des Fahrzeugs anbietet.

Head-Up-Displays und smarte Windschutzscheiben sind, wie oben beschrieben, Bildschirme im natürlichen Sichtfeld des Fahrers, die eine Vielzahl von Informationen bieten können, ohne den Blick von der Straße nehmen zu müssen. Die Visualisierungen können perspektivisch aufbereitet sein, oder dem Fahrer werden grundlegende Daten in seinem Sichtfeld angezeigt.

AR - Benutzerfreundlichkeit ist entscheidend

Die meisten Fortschritte in der Anwendung von Künstlicher Intelligenz sorgen für zusätzliche Eingabekanäle, etwa Überwachungssysteme in der Kabine und die fortschrittlichen Sensorfusionsfunktionen, die verschiedene Interaktionsmodi wie Sprache, Blickverfolgung, Gesten und mehr verarbeiten können. AR dagegen ist ein weiterer Ausgabekanal, der dem Fahrzeugnutzer zusätzliche, komplexe Informationen in einer einfach aufbereiteten Form bereitstellen kann.

Ein wichtiger Aspekt in diesem Zusammenhang ist die Displayoberfläche, die die Auswahl der realisierbaren Anwendungsfälle sowie die Benutzerfreundlichkeit erheblich beeinflusst: Neue Technologien wie die "intelligente Windschutzscheibe" von Saint-Gobain Sekurit nutzen die gesamte Frontscheibe als transparente Anzeige. Dadurch kann die User Experience durch das Hinzufügen von sehr zielgerichteten und intelligenten Content-Angeboten in verschiedenen Aspekten bereichert werden.

Augmented-Reality-Anwendungsfälle

Augmented-Reality-Technologien können für eine Vielzahl von Anwendungen eingesetzt werden, insbesondere Infotainment-, Sicherheits- oder Komfortfunktionen. Wenn der Fokus auf Infotainment liegt, kann die Windschutzscheibe genutzt werden, um dem Benutzer Informationen über die sichtbare Außenumgebung, die interessanten Restaurants oder die Angebote eines neu eröffneten Cafés anzuzeigen.

Für Komfortanwendungen kann die Windschutzscheibe als Ausgabekanal verwendet werden, wenn der Benutzer mit Bordsystemen oder Online-Inhalten interagiert. Diese Art der Interaktion hat den Vorteil, dass der Benutzer nicht auf das Dashboard schauen muss, sondern die Informationen dort angezeigt werden, wo der Benutzer hinschaut, was die Sicherheit erhöht.

Sicherheit beschränkt sich nicht nur auf die Minimierung von Ablenkungen. Mit Hilfe modernster Sensorfusions- und Eye-Tracking-Technologien ist das System in der Lage, den Anzeigebereich entsprechend dem Blickwinkel des Benutzers auszuwählen. Darüber hinaus kann AR verwendet werden, um die Aufmerksamkeit des Benutzers genau dorthin zu lenken, wo sie gebraucht wird: Wenn sich ein Fahrzeug auf der Straße befindet, auf das der Benutzer besonders achten sollte, kann sich die Erweiterung an dieser Stelle konzentrieren.

Autonomes Fahren treibt AR

Je weiter sich das autonome Fahren entwickelt, desto mehr Bedeutung wird auch Augmented Reality zukommen. Einerseits gibt es wesentlich mehr Möglichkeiten für Entertainment- und Infotainment-Funktionen, wenn sich der Fahrer nicht mehr selbst auf den Verkehr konzentrieren muss. Andererseits kann die AR-Technologie eine interessante Rolle bei der Bereitstellung von Informationen über die Manöver und ein allgemeines Verständnis des Fahrzeugs spielen. Dadurch kann das Sicherheitsgefühl kritisch eingestellter Mitfahrer erhöht werden: Menschen, denen Fliegen unangenehm ist, lassen sich oft dadurch beruhigen, dass sie wissen, woher bestimmte Geräusche des Flugzeugs kommen. Einen ähnlichen Effekt könnten auch die AR-Informationen auf skeptische Mitfahrer haben.

Die Daten, die wir in der Welt sammeln werden immer mehr. In der Zukunft wird entscheidend sein, dass es uns gelingt, sie auch so in Bezug zur Realität zu setzen, dass sie größtmöglichen Nutzen für die Menschen stiften. KI-basierte Analyseverfahren und die optische Aufbereitung der Daten durch AR, um den Verkehr angenehmer und sicherer zu machen ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung. (mb)