Wenn der Chef die Reißleine zieht

Wer am Arbeitsplatz privat telefoniert, riskiert seinen Job

15.06.2010
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Renate Oettinger war Diplom-Kauffrau Dr. rer. pol. und arbeitete als freiberufliche Autorin, Lektorin und Textchefin in München. Ihre Fachbereiche waren Wirtschaft, Recht und IT. Zu ihren Kunden zählten neben den IDG-Redaktionen CIO, Computerwoche, TecChannel und ChannelPartner auch Siemens, Daimler und HypoVereinsbank sowie die Verlage Campus, Springer und Wolters Kluwer. Am 29. Januar 2021 ist Renate Oettinger verstorben.

Fehlverhalten darf nicht zur Gewohnheit werden

"Schiebt dem Missbrauch der neuen Medien früh einen Riegel vor", empfiehlt denn auch Julia Voss Arbeitgebern. Sonst bekämen sie das Problem irgendwann nicht mehr in den Griff. Ähnlich wie Daniel Stenger. Für den Inhaber eines Ingenieurbüros war es früher ganz selbstverständlich, dass seine Angestellten vom Büro aus auch mal ein, zwei private Telefonate führten - "ohne zu fragen". Denn er ging davon aus: Meine Mitarbeiter sind erwachsen, und sie wissen "Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps".

Entsprechend lang schaute er zu, als der Siegeszug von Handy und Internet den Mitarbeitern ganz neue Spielwiesen eröffnete. So lange bis "eine Aktivistin eines Umweltschutzverbandes" sein Büro in eine Art Verbandszweigstelle verwandelte. "Wenn die Kröten wanderten, war meine Mitarbeiterin nicht ansprechbar", sagt Stenger sarkastisch. Was die Mitarbeiterin aber genau wusste: Um 17 Uhr sind acht Stunden um, und ich habe Feierabend. Dann verließ sie das Büro, egal was noch zu tun war - "selbst wenn sie tagsüber fast ausschließlich mit ihren Kröten beschäftigt war". Irgendwann reichte es Stenger. Die Mitarbeiterin musste die Koffer packen. "Doch ganz habe ich das Problem immer noch nicht im Griff", gesteht Stenger. "Auch weil sich in meinem Büro ein Generationswechsel vollzogen hat. Meine jungen Mitarbeiter trennen einfach nicht mehr so stark zwischen beruflich und privat wie dies meine früheren Mitarbeiter taten."

Wegschauen und wegducken bringt nichts

Ähnliche Klagen hört man oft von Inhabern von Klein- und Mittelunternehmen. Auf keinen Fall wollen sie aber ihren wahren Namen in der Zeitung lesen - aus Angst, sie könnten als "kleinkarierte Menschenschinder" gelten. Genau dieses Wegschauen und Wegducken führt aber laut Julia Voss dazu, dass das Fehlverhalten oft ausufert - und zwar so weit, dass nur noch Abmahnungen und Kündigungen helfen. Sinnvoller wäre es, "den Stier frühzeitig bei den Hörnern zu packen und mit den Mitarbeitern Regeln für den Umgang mit den neuen Medien zu vereinbaren" - schriftlich. "Denn wer mehr als zwei, drei Mitarbeiter hat, muss damit rechnen: Einer von ihnen nutzt die zugestandenen Freiräume über Gebühr aus." Und schon kommt ein Teufelskreislauf in Gang. Weil Kollege Müller dauernd privat telefoniert, tun dies auch seine Kollegen. Und schnell wird das private Telefonieren, Simsen und Chatten zu einem Gewohnheitsrecht - "das man nur mit massivem Druck durchbrechen kann".