Was globale Teams erfolgreich macht

06.01.2006
Von 
Ingrid Weidner arbeitet als freie Journalistin in München.

Was beflügelt die Arbeit von internationalen Teams, unabhängig davon, ob sie in einem Bürogebäude arbeiten oder über den Globus verteilt sind? "Je gemischter, desto effektiver", empfiehlt etwa Beraterin Lamson. So sei sichergestellt, dass stark vertretene Länder keine eigenen Untergruppen bilden und damit andere ausschließen. Erfolgreiche Teammitglieder kennen und nutzen kulturelle Unterschiede für ihre Arbeit. "Ganz homogene Teams sind weniger kreativ; das funktioniert höchstens bei Fließbandarbeit", sagt Nestler.

Direkte Kritik ist tabu

Oliver Müller, Procter und Gamble: "Kritik sollte man mit einem vorausgehenden Lob verknüpfen."
Oliver Müller, Procter und Gamble: "Kritik sollte man mit einem vorausgehenden Lob verknüpfen."

Klare Absprachen, Zielvereinbarungen, Treffen oder regelmäßige Telefonate helfen, den Zeitplan einzuhalten, Frust zu vermeiden und den unterschiedlichen Arbeitsstilen gerecht zu werden. Zudem brauchen Projektleiter wie Teammitglieder viel Fingerspitzengefühl. "Man muss sich selbst zurücknehmen können", sagt Müller von Procter and Gamble. Er kennt die flexiblen Definitionen von Abgabefristen einiger Kollegen. "Inzwischen gebe ich entweder keinen exakten Termin mehr vor oder ich baue Pufferzeiten ein", erklärt er seinen Trick. Auch für den Umgang mit Kritik hat er einen Tipp parat: "Es kommt sehr stark auf die Verpackung an. Direkte Kritik ist absolut tabu, aber mit der richtigen Wortwahl und verpackt mit einem vorausgehenden Lob lässt sich das gut lösen. Wenn ein englischer Kollege zu mir sagt: "I see an opportunity", dann ist das meist eine ziemlich harte Kritik, auch wenn sich das auf den ersten Blick ganz anders anhören mag. Auch das kann einen ziemlich treffen."

Nie war es einfacher, internationale Berufspraxis zu sammeln. Viele Unternehmen befördern nur noch Mitarbeiter, die diese Kenntnisse mitbringen. Ob in einem Konzern im virtuellen Team oder vor Ort in fernen Ländern - Möglichkeiten gibt es viele, mit Kollegen aus unterschiedlichen Ländern und Kulturkreisen zusammenzuarbeiten. Doch die erste Euphorie verfliegt mitunter schnell, wenn Persönlichkeiten und Weltbilder aufeinander prallen. Mindestens genauso wichtig wie die fachliche Qualifikation ist deshalb der kulturelle Hintergrund, meint Ricarda Bouncken, Professorin für Betriebswirtschaft, Organisation und Personal sowie Innovationsökonomie an der Universität in Greifswald: "Menschen aus dem Mittelmeerraum, Lateinamerika oder arabischen Ländern können verschiedene Aufgaben parallel erledigen, mehrere Dinge gleichzeitig tun und empfinden Unterbrechungen als Bereicherung." Amerikaner und Deutsche dagegen arbeiten gern nacheinander und bevorzugen Standardisierungen. Von einer unkonventionellen Arbeitsweise fühlen sie sich gestört und empfinden sie als unpassend. "Manche interpretieren es sogar als Boshaftigkeit ihrer Person gegenüber und vermissen die Wertschätzung", ergänzt Bouncken.

Zu viel Autorität schadet

Was nach althergebrachten Vorurteilen klingt, ist das Ergebnis von verschiedenen Forschungsprojekten der Professorin: "Arbeiten Amerikaner und Franzosen in einem Subteam zusammen, knallt es." Vermutlich eskalieren Konflikte besonders dann, wenn der Projektleiter seine Aufgabe nur unzureichend erfüllt. "Der Leiter wird als Koordinationspunkt gesehen, und die Mitglieder müssen viel Verantwortung und Eigeninitiative zeigen", sagt SAP-Mann Ondas. Auch die interkulturelle Trainerin Marion Dathe sieht den Projektleiter in einer ganz neuen Rolle: weniger autoritär, sozial und fachlich versiert, mit hoher interkultureller Kompetenz. Niemand sollte verzweifelt versuchen, sich wie ein Chamäleon an immer neue Situationen anzupassen. Hilfreich ist es dagegen, einige Vorurteile und Gewissheiten über Bord zu werfen, um Platz für neue Eindrücke und Erfahrungen zu schaffen.