Web 2.0 im Unternehmen

Virtuelle Teamarbeit setzt sich durch

31.01.2011
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Simon Hülsbömer betreut als Senior Research Manager Studienprojekte in der Marktforschung von CIO, CSO und COMPUTERWOCHE. Zuvor entwickelte er Executive-Weiterbildungen und war rund zehn Jahre lang als (leitender) Redakteur tätig. Hier zeichnete er u.a. für die Themen IT-Sicherheit und Datenschutz verantwortlich.

Ein Wiki entscheidet alles

Collaboration heißt, von den Mitarbeitern her zu denken. Das zeigt auch das Beispiel der Synaxon AG aus Bielefeld, zu deren wichtigsten Marken die Franchise-Kette PC-Spezialist gehört. Deren Vorstandsvorsitzender Frank Roebers ist Co-Autor des neuen COMPUTERWOCHE-Buchs "Web 2.0 im Unternehmen". Roebers erklärt, warum sich die IT-Verbundgruppe, die Franchise-Systeme und Kooperationsmodelle für fast 3000 IT-Fachhändler in ganz Europa anbietet, schon 2006 für ein "Open Company Wiki" entschieden hat, an dem jeder Mitarbeiter mitschreiben darf und das mittlerweile das Herzstück im operativen Tagesgeschäft bildet. Die auf der Wikipedia-Software Mediawiki basierende Collaboration-Lösung biete die Möglichkeit der völligen Transparenz. "Jeder kann alles sehen, jeder kann an allem mitschreiben", sagt Roebers. Das Wiki ersetze sowohl das Intranet als auch bereits große Teile der Office-Software. So werden dort viele gemeinsame Texte und Projekte begonnen und weiterentwickelt. Ein Mitarbeiter könne sogar seine eigene Stellenbeschreibung ändern, wenn dies erforderlich sei - ohne Freigabe, direkt für jeden sichtbar. Auch strategische Vorstandsentscheidungen werden bei Synaxon öffentlich diskutiert und gemeinsam getroffen.

Heute verzeichnet Roebers im "Open Company Wiki" zwischen 300 und 500 Edits pro Tag. Alle 140 Mitarbeiter stellen solche Beiträge ein. Insgesamt 87 Millionen Abrufe von 44.000 Seiten bei 324.000 einzelnen Änderungen seit der Einführung vor vier Jahren sprechen eine deutliche Sprache: Die Synaxon AG ist ohne Wiki nicht mehr vorstellbar.

Totale Transparenz

Warum das Modell so erfolgreich ist? Die totale Transparenz verhindere zum einen den Missbrauch, weil jede Änderung namentlich gekennzeichnet werde, und motiviere zum anderen ungemein, die eigene tägliche Arbeit voranzutreiben. "In vier Jahren hatten wir keinen einzigen Eintrag im Wiki, der von einer Führungskraft rückgängig gemacht worden wäre", zeigt sich Roebers begeistert von seiner ursprünglichen Idee, ein "Wikipedia fürs Unternehmen" zu installieren. Der Erfolg dieser Maßnahme übertraf seine kühnsten Vorstellungen. Damit das zukunftsträchtige Projekt nicht wieder einschläft, stellt Synaxon nur noch Mitarbeiter ein, die das neue, ebenfalls im Wiki von allen Mitarbeitern gemeinsam entwickelte Unternehmensleitbild voll unterstützen und die aktive Wiki-Arbeit als wichtigsten Bestandteil ihres Jobs anerkennen. "Durch die hohe Transparenz wissen alle Bewerber genau, was auf sie zukommt. Dadurch bewerben sich heute ganz andere Leute bei uns als früher", erklärt Roebers.

Neben dem Wiki kommen auch Blogs und Mikroblogs zum exzessiven Einsatz: Bevor ein neuer Inhalt eingestellt werde, müsse ein Mitarbeiter dessen potenzielle Lebensdauer bewerten. "Was nur kurz lebt, kommt in unsere Mikroblogs - was länger lebt, in die Blogs, langlebiger Content findet sich im Wiki wieder", so Roebers. Für internes Mikroblogging setzt das Unternehmen auf Yammer, für alles andere auf Twitter. Der Corporate Blog auf der Website basiert auf Wordpress, intern bloggen die Mitarbeiter mit einer eigens entwickelten Mediawiki-Erweiterung. Hinzu kommt laut Roebers die Vernetzung der Kanäle untereinander: "Vieles wird heute im Blog mit einem Verweis auf das Wiki angekündigt." Von einer integrierten Gesamtlösung für alle Einsatzzwecke sei man abgerückt und nutze nun ein Programm für jeden einzelnen Bereich, weil sich integrierte Applikationen als nicht handhabbar herausgestellt hätten.