Stürmische Zeiten für ERP-Anbieter

10.12.2002
Von 
Riem Sarsam war Redakteurin des CIO-Magazins.

Unbestritten ist jedoch, dass die Branche ungeachtet unternehmerischer Fehltritte auch im nächsten Jahr noch mit einem rauen Klima zu kämpfen hat. Gegenwind bläst aus der Richtung der großen Anbieter, die angesichts schwächelnder Geschäfte mit Großkunden nun da- rum kämpfen, den Fuß in die kleineren und mittleren Anwenderunternehmen zu bekommen. Mit aufwändigem Marketing und mächtigen Entwicklungsetats wollen sie an der Börse als wachstumsträchtig gelten. Unter anderem positioniert sich SAP mit dem zugekauften Mittelstandsprodukt „Business One“, Microsoft mit seinen „Business Solutions“, hinter denen sich die Produkte der übernommenen Hersteller Navision und Great Plains verbergen, und Oracle hat gerade sein E-Business Suite „Special Edition“ in Europa auf den Markt gebracht. In allen

Fällen handelt es sich um vorkonfigurierte, vorinstallierte Pakete von ERP-Anwendungen, die auf Unternehmen mit bis zu 500 Mitarbeitern beziehungsweise einem Jahresumsatz zwischen 20 und 250 Millionen Euro zugeschnitten sind. IBM versucht sich diesen Weg mit einer Software-übers-Internet-Strategie zu bahnen.

Geringe Umsätze, niedrige Margen

„Es gibt in Europa etwa 200.000 Unternehmen in der Kategorie, die wir als Mittelstandsmarkt definieren“, tönt Alfonso Di Ianni, Senior Vice President Marketing and Alliances & Channel bei Oracle. Was die Menge sowie die technische Ausrüstung der adressierten Firmen betrifft, hat er sicher Recht. Gerade in mittleren und kleineren Unternehmen schlummert noch reichlich Potenzial. Doch betrachtet man die Umsätze, die bislang in diesem Segment erwirtschaftet wurden, tritt schnell Ernüchterung und auch die Frage nach dem Sinn des Aktionismus ein. „Der Mittelstand macht nur etwas mehr als ein Drittel des gesamtes Application-Software-Marktes in Deutschland aus“, erklärt PAC-Analyst Jung, „und die Margen sind wesentlich niedriger als im Konzerngeschäft.“ In Deutschland ansässige Firmen mit bis zu 500 Mitarbeitern gaben 2001 rund 500 Millionen Euro für ERP-Software und Wartung aus - das ist ein Bruchteil der Jahreseinnahmen von SAP und

Co.

Weiteres Ungemach droht den mittelständischen Anbietern nach wie vor durch die schwache Konjunktur. Für das Gros dieser Firmen hängt das Geschäft mit Unternehmenssoftware stark von der Wirtschaftskraft Deutschlands ab, und diese soll im nächsten Jahr bestenfalls um 1,5 Prozent steigen. Damit wird sich der aggressive Preiskampf unter den Anbietern noch verschärfen, denn diejenigen, die bereits kurz vor dem Abgrund stehen, haben nichts mehr zu verlieren. Parallel dazu wird es nicht allen Anbietern gelingen, mit der technischen Entwicklung sowie der Ausweitung der Funktionen etwa für Supply-Chain-Management (SCM) und Customer-Relationship-Management (CRM) Schritt zu halten, einfach „weil es an Kapazitäten und Mitteln für Forschung und Entwicklung fehlt“, befürchtet Carsten Schmidt, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Aachener Forschungsinstitut für Rationalisierung (FIR) an der RWTH in Aachen. Von diesem