Wie ein Mittelständler professionell und fair Mitarbeitern kündigte

So entlassen Sie richtig!

24.05.2023
Von 

Silas Koch arbeitet in Darmstadt unter anderem  als Fachjournalist. Er ist auf IT- und Managementthemen spezialisiert.

Mittlerweile hört man die unglaublichsten Schauergeschichten, wenn es um Mitarbeiterentlassungen geht. Wie sich so ein Vorhaben vernünftig umsetzen lässt, zeigt das Beispiel eines Mittelständlers.
In Entlassungsgesprächen ist es wichtig, „die Trennungsbotschaft klar zu vermitteln, jedoch zugleich im Umgang mit den Betroffenen fair und wertschätzend zu bleiben“.
In Entlassungsgesprächen ist es wichtig, „die Trennungsbotschaft klar zu vermitteln, jedoch zugleich im Umgang mit den Betroffenen fair und wertschätzend zu bleiben“.
Foto: Lee Charlie - shutterstock.com

Im Sommer 2022 stand ein mittelständisches Unternehmen vor der Alternative: Entweder wir senken unsere Kosten oder wir müssen bald unsere Pforten schließen - unter anderem aufgrund der gestiegenen Energiepreise und des gesunkenen Auftragsvolumens. Also stellte die Geschäftsleitung alle Sachausgaben auf den Prüfstand. Was entbehrlich war, wurde gestrichen. Doch dies allein genügte nicht. Deshalb reifte in der Unternehmensleitung die Erkenntnis: Wir müssen etwa 20 Prozent unserer circa 240 Mitarbeiter entlassen.

Ein Drehbuch für das Trennungsvorhaben

Leicht fiel der Geschäftsleitung des Familienunternehmens diese Entscheidung nicht - auch, weil sie befürchtete: Wenn wir in größerem Umfang Mitarbeiter entlassen, zerstört dies unsere von einem starken Wir-Gefühl geprägte Unternehmenskultur. Deshalb beschloss sie: Wir arbeiten mit einem Beratungsunternehmen zusammen, das uns hilft, den Trennungsprozess aus Mitarbeitersicht fair zu gestalten und die Entlassenen dabei unterstützt, für sich eine neue berufliche Perspektive zu entwerfen.

So entwarfen die Berater mit dem geschäftsführenden Gesellschafter des Unternehmens, dessen Personalleiter und drei eingeweihten Führungskräften ein Konzept für den Kündigungs- und Trennungsprozess. Parallel dazu wurden alle gesetzlichen, tariflichen und betrieblichen Instrumente zur Personalanpassung ohne Entlassungen (z.B. Altersteilzeit, Teilzeitarbeit oder interne Versetzungen) geprüft. Außerdem wurde der Betriebsrat informiert und mit ihm ein Sozialplan verhandelt. In dieser Phase waren alle Beteiligten noch zum Stillschweigen verpflichtet und unterschrieben eine entsprechende Erklärung.

Als Erstes: Sitzung mit den Führungskräften

Den Auftakt des offiziellen Kündigungs- und Trennungsprozesses bildete ein zweistündiges Meeting Anfang September 2022 mit der Führungsmannschaft des Unternehmens. In ihm informierte der geschäftsführende Gesellschafter alle Führungskräfte über das Programm zum Personalabbau und erläuterte ihnen dessen geplanten Ablauf. Außerdem erstellte er mit ihnen eine Planung zum weiteren Vorgehen. Sie enthielt auch erste Absprachen darüber, wer, wann, mit wem, welche Gespräche wie führt.

Etwa eine Woche später informierte der geschäftsführende Gesellschafter alle Mitarbeiter auf einer Betriebsversammlung über den geplanten Personalabbau. Zudem teilte er ihnen mit, dass die Führungskräfte in den nächsten Tagen auf die Mitarbeiter zukommen würden, um persönliche Gespräche mit ihnen zu führen. In der Versammlung wurden der Belegschaft auch die Berater vorgestellt, die die Betroffenen im weiteren Prozess begleiten und unterstützen sollten.

Entlassungstraining für die Führungskräfte

Zwei Tage nach der Betriebsversammlung wurden die Führungskräfte, die die Mitarbeitergespräche führen sollten, in einem halbtägigen Training auf diese Aufgabe vorbereitet. Danach führten die Führungskräfte die entsprechenden Gespräche mit den Mitarbeitern, die das Unternehmen auf alle Fälle als Arbeitnehmer behalten wollte, und mit den Mitarbeitern, die es für das angebotene Freiwilligenprogramm gewinnen wollte.

Nach Ablauf einer gesetzten Frist von drei Wochen hatten zwar 19 Mitarbeitende für sich entschieden: Wir trennen uns mit einer Abfindung im gemeinsamen Einvernehmen vom Unternehmen. Ihre Zahl genügte aber nicht, um die angestrebte Personalreduktion um 48 Mitarbeitende zu erreichen. Also starteten nun die offiziellen Kündigungsgespräche, in denen die betriebsbedingten Trennungen besprochen wurden. Diese Gespräche wurden mit den Betroffenen stets von der jeweiligen Führungskraft und dem Personalleiter geführt.