Der Kampf gegen Salesforce und Co. wird heftiger

SAP übernimmt Cloud-CRM-Spezialisten Callidus

30.01.2018
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
Mit der Akquisition von Callidus Software will SAP sein Cloud-Geschäft stärken, um sich gegen stark wachsende Cloud-Konkurrenten wie Salesforce zu wappnen. Das wird umso wichtiger, weil die Lizenzeinnahmen zurückgehen und der Supportumsatz stagniert.

Mit der Übernahme von Callidus Software - im Markt besser bekannt unter dem Namen "CallidusCloud" - will SAP seinem Cloud-Business zusätzlichen Schwung geben. 36 Dollar je Anteilsschein ist dem größten deutschen Softwarehersteller der Kauf des im kalifornischen Dublin beheimateten CRM-Spezialisten wert. Damit hätte der Deal ein Gesamtvolumen von 2,4 Milliarden Dollar.

SAP nimmt Milliarden für den Ausbau seines Cloud-Geschäfts in die Hand.
SAP nimmt Milliarden für den Ausbau seines Cloud-Geschäfts in die Hand.
Foto: 360b - shutterstock.com

Callidus versteht sich als Anbieter von cloudbasierten Vertriebs-, Marketing-, Lern- und Kundenerfahrungslösungen. Die Produktsuite in der CallidusCloud besteht aus verschiedenen Werkzeugen, die sich auf die Hauptsäulen Marketing, Sales Execution und Sales Performance aufteilen lassen. Das Gesamtpaket firmiert unter "Lead to Money". Neben einigen Werkzeugen für das Marketing liegt der Hauptfokus von Callidus also auf der Unterstützung des Vertriebs. Die Preise der einzelnen Pakete reichen von 50 Euro je Monat und Nutzer für das Marketing-Paket über 70 Euro für Sales Execution und 90 Euro für Sales Performance bis zu 150 Euro für das Gesamtpaket.

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Der kalifornische Cloud-Anbieter verspricht seinen Kunden, mit Hilfe der eigenen Lösungen die richtigen Leads bestimmen, eine geeignete Gebiets- und Kontingentverteilung gewährleisten sowie Vertriebsmitarbeiter mit Marketingmaterial und Kommunikationsmitteln unterstützen zu können. Außerdem ließen sich das Configure Price Quote automatisieren und Umsatzvergütungen effizienter gestalten. Eigenen Angaben zufolge setzen mehr als 5700 Unternehmen aller Branchen weltweit auf die CallidusCloud. Auf der Kundenliste finden sich etliche Namen aus der IT-Branche wie CA Technologies, Lenovo, Nokia, Novell und Rackspace, aber auch andere prominente Firmen wie Barclays und Philips.

Rote Zahlen im Cloud-Geschäft

Das Geschäft von Callidus verläuft indes symptomatisch für das Cloud-Business. Wie bei vielen anderen Cloud-Anbietern legen die Umsätze Jahr für Jahr stark zu, unter dem Strich stehen jedoch konstant rote Zahlen. So haben die Kalifornier ihre Einnahmen von knapp 95 Millionen Dollar im Jahr 2012 auf fast 207 Millionen Dollar 2016 gesteigert. Der Verlust belief sich zuletzt auf fast 19 Millionen Dollar, 2015 waren es gut 13 Millionen Dollar, ein Jahr zuvor fast 12 Millionen Dollar, und in den Jahren 2013 und 2012 lag das Defizit bei über 21 beziehungsweise fast 28 Millionen Dollar.

Der Vorstand von Callidus hat die Übernahme bereits befürwortet. Allerdings müssen noch die Aktionäre sowie die Kartellbehörden zustimmen. SAP geht davon aus, die Akquisition im zweiten Quartal 2018 über die Bühne zu bekommen, und hofft, mit der Übernahme seine Position im Bereich Lead to Money zu verbessern. Hierzu gehörten vor allem Lösungen für das Sales Performance Management (SPM) sowie für Configure-Price-Quote (CPQ). CallidusCloud ergänze das SAP-Portfolio in wesentlichen Punkten und stärke die Position im Markt für Kundenbeziehungsmanagement (CRM), verlautete aus Walldorf. Die Lösungen von CallidusCloud seien auf die spezifischen Bedürfnisse von Vertriebsmitarbeitern zugeschnitten und verknüpften vertriebsrelevante Informationen, wie zum Beispiel zu Preisen, Anreizen und Provisionen, mit der Geschäftssoftware (ERP) im Unternehmen.

Callidus soll SAPs CRM-Portfolio ergänzen

"SAP verbindet das Back-Office mit dem Front-Office in einem entscheidenden Moment", sagte Bill McDermott, Vorstandssprecher von SAP, "denn wir sind mitten in einer Wachstumsrevolution, die durch die Konsumenten getrieben wird. Unsere Kunden stellen sich derzeit in Vertrieb, Service, Marketing und Handel völlig neu auf." CallidusCloud passe McDermott zufolge perfekt zur SAP-Innovationsstrategie.

Für SAP-Chef Bill McDermott kommt der Zukauf zum richtigen Zeitpunkt. Derzeit stellten Kunden ihren Vertrieb und das Marketing neu auf.
Für SAP-Chef Bill McDermott kommt der Zukauf zum richtigen Zeitpunkt. Derzeit stellten Kunden ihren Vertrieb und das Marketing neu auf.
Foto: SAP

Konflikte mit dem eigenen CRM-Portfolio sehen die SAP-Verantwortlichen nicht. Die bestehenden SAP-Vertriebslösungen würden durch das Portfolio von CallidusCloud um die Bereiche Vertriebsplanung und -prognose, Gebietsmanagement und Pipeline-Management erweitert. Das Vertriebs-Content-Management von SAP profitiere von einem sehr einfachen Zugang zu Verträgen, Marketingmaterialien und Lerninhalten.

Nach Abschluss der Transaktion sollen alle CallidusCloud-Produkte innerhalb der Geschäftseinheit SAP Hybris und damit als Teil der SAP Cloud Business Group konsolidiert werden. Das bestehende Managementteam werde CallidusCloud weiterhin führen, hieß es. Zur technischen Integration der Lösungen von CallidusCloud soll die SAP Cloud Platform genutzt werden. Allerdings sollen die CallidusCloud-Lösungen auch in Zukunft offen für die Integration in Installationen von Drittanbietern bleiben.

Cloud-Konkurrenten wie Salesforce machen Dampf

SAP dürfte es mit dem Kauf von Callidus in erster Linie darum gehen, sein Standing im Softwaremarkt gegenüber den stark wachsenden Cloud-Spezialisten wie beispielsweise Salesforce zu behaupten. Der Cloud-CRM-Spezialist, der mit Hochdruck daran arbeitet, seine Cloud-Plattform auszuweiten, beispielsweise mit Werkzeugen für Künstliche Intelligenz und verschiedensten Partnerlösungen, verfolgt ambitionierte Ziele. Mittelfristig will der Cloud-Pionier seinen Jahresumsatz auf 20 Milliarden Dollar verdoppeln, wie COO und Vice Chairman Keith Block jüngst auf Stippvisite in München durchblicken ließ.

Keith Block, COO und Vice Chairman von Salesforce, peilt 20 Milliarden Dollar Jahresumsatz an.
Keith Block, COO und Vice Chairman von Salesforce, peilt 20 Milliarden Dollar Jahresumsatz an.
Foto: Salesforce

Um hier mithalten zu können und die Rückgänge im klassischen Lizenzgeschäft aufzufangen, muss SAP sein Cloud-Geschäft ankurbeln. Im vergangenen vierten Quartal 2017 verbuchten die Softwerker aus dem Badischen 995 Millionen Euro mit Cloud-Subskriptionen und -Support, rund 21 Prozent mehr als im Vorjahresquartal. Insgesamt verbesserte sich der Umsatz aber nur um knapp ein Prozent auf rund 6,81 Milliarden Euro. Das lag in erster Linie daran, dass das Geschäft mit Softwarelizenzen mit fast 2,1 Milliarden Euro um fünf Prozent zurückging und die Support-Einnahmen mit knapp 2,8 Milliarden Euro gegenüber dem vergleichbaren Vorjahreszeitraum stagnierten. Insgesamt verbuchten die Walldorfer unter dem Posten Softwarelizenzen und Support Einnahmen in Höhe von gut 4,8 Milliarden Euro, ein Rückgang um zwei Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal.

Unter dem Strich machte SAP im Abschlussquartal 2017 einen Gewinn von fast 1,9 Milliarden Euro nach gut 1,5 Milliarden im Vorjahresquartal. Im Gesamtjahr 2017 stand ein Profit von knapp 4,1 Milliarden Euro zu Buche. 2016 hatte das Plus bei 3,6 Milliarden Euro gelegen. Der Umsatz 2017 belief sich auf knapp 23,5 Milliarden Euro, sechs Prozent mehr als im Vorjahr. Dabei legten die Cloud-Einnahmen um 26 Prozent auf fast 3,8 Milliarden Euro zu. Den Löwenanteil am SAP-Geschäft macht jedoch nach wie vor das klassische Lizenz-Support-Business aus, das 2017 allerdings nur noch um zwei Prozent auf knapp 15,8 Milliarden Euro zulegen konnte. Allein die Support-Einnahmen beliefen sich im vergangenen Jahr auf 10,9 Milliarden Euro. Die Bruttomarge, die SAP mit Lizenzen und Support 2017 erzielte, lag bei 87,8 Prozent.

SAP will Cloud-Business weiter steigern

Die SAP-Verantwortlichen sind indes zuversichtlich. Im laufenden Jahr sollen die Cloud-Einnahmen auf 4,8 bis fünf Milliarden Euro zulegen. Bis 2020 sollen die Cloud-Einnahmen weiter auf dann acht bis 8,5 Milliarden Euro im Jahr anwachsen. Insgesamt peilt der Softwarekonzern bis dahin Jahreseinnahmen von 28 bis 29 Milliarden Euro an.

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"Wir haben ein schnelles Wachstum in der Cloud versprochen und Wort gehalten", kommentierte SAP-Chef McDermott die jüngsten Zahlen. Die Rekordnachfrage nach SAP S/4HANA habe die gesamte SAP-Cloud beflügelt. Kunden entwickelten mit SAP Leonardo innovative branchenspezifische Geschäftsprozesse für intelligente Unternehmen. "Die Zukunft der SAP ist grundsolide", lautete McDermotts Fazit. Die Zahl der SAP S/4HANA-Kunden ist SAP zufolge gegenüber der Vorjahresperiode um etwa 46 Prozent auf über 7900 gestiegen. Allein im vierten Quartal hätten sich etwa 1000 Kunden für das neue Kernprodukt entschieden. Davon seien über 40 Prozent Neukunden gewesen.

SAP-Anwender skeptisch mit Cloud-Lösungen

Ob die Rechnung der SAP- Verantwortlichen aufgeht, bleibt abzuwarten. Erst vor wenigen Tagen hat die aktuelle Investitionsumfrage der Deutschsprachigen SAP-Anwendergruppe (DSAG) gezeigt, dass viele SAP-Kunden nach wie vor zurückhaltend gegenüber SAPs Cloud-Lösungen sind und auch der Umstieg auf die von SAP favorisierten Lösungen S/4HANA und Leonardo nicht so recht in Schwung kommen will. Nennenswertes Interesse gibt es der DSAG zufolge zufolge lediglich für die Cloud-Software SuccessFactors und Hybris. In diese von SAP zugekauften Lösungen wollen 14 beziehungsweise 13 Prozent der befragten Anwender im laufenden Jahr investieren. Das Investitionsinteresse für andere Cloud-Lösungen beziehungsweise einen Cloud-Betrieb des SAP-Kerns sei dagegen eher mau. Für die SAP Cloud Platform (SCP) beziehungsweise die HANA Enterprise Cloud (HEC) will gerade einmal rund jedes 20. Anwenderunternehmen Geld in die Hand nehmen. Noch geringer ist das Interesse an Cloud for Analytics (drei Prozent) und Fieldglass (ein Prozent).

DSAG-Vorstandsvorsitzender Marco Lenck mahnt eine bessere Interoperabilität in SAPS Software- und Cloud-Kosmos an.
DSAG-Vorstandsvorsitzender Marco Lenck mahnt eine bessere Interoperabilität in SAPS Software- und Cloud-Kosmos an.
Foto: DSAG

DSAG-Vorstand Marco Lenck mahnte dagegen zum wiederholten Male eine bessere Interoperabilität der von SAP angebotenen Lösungen an. In den vergangenen Jahren klang von Anwenderseite immer wieder durch, dass die Integration der verschiedenen von SAP zugekauften Lösungen durchaus an der einen oder anderen Stelle zu wünschen übrig lasse.