S/4HANA-Migration

SAP-Anwendern droht Projektstau

20.12.2019
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
SAP-Anwender gehen die S/4HANA-Migration laut Lünendonk nur langsam an. Wenn ab 2022 die Rollout-Lawine anrollt, könnten die Ressourcen knapp werden.

SAP-Migrationen sind aufwändig und mitunter schmerzhaft. Viele Unternehmen lassen sich damit so viel Zeit wie möglich. Das war bereits in der Vergangenheit beim Wechsel von R/3 auf ECC zu beobachten und beweist sich aktuell auf der Reise in Richtung S/4HANA aufs Neue. 2015 hatte SAP seine neue Softwaregeneration vorgestellt und in der Folge das Wartungsende für die Business Suite auf das Jahr 2025 terminiert. Zur Halbzeit sind aber nur wenige Kunden in der neuen Anwendungswelt angekommen.

Die langwierigen Planungen könnten in den nächsten Jahren so manches Unternehmen ausbremsen, wenn es an die Projektumsetzung geht.
Die langwierigen Planungen könnten in den nächsten Jahren so manches Unternehmen ausbremsen, wenn es an die Projektumsetzung geht.
Foto: Chatchai Kritsetsakul - shutterstock.com

Das bestätigt eine aktuelle Umfrage von Lünendonk. Die Marktforscher aus Mindelheim im Allgäu haben gemeinsam mit der Datagroup, KPMG, msg, Rödl&Partner sowie Salt Solutions über 150 IT-Entscheider aus Deutschland, Österreich und der Schweiz zum aktuellen Stand ihrer S/4HANA-Transformation befragt.

Zentrale Erkenntnis der Studie: SAP-Anwender agieren zögerlich, was den Umstieg auf S/4HANA betrifft. Gut die Hälfte ist gerade erst dabei, einen Business Case zu erstellen. Weitere 30 Prozent geben an, derzeit noch eine Strategie beziehungsweise eine Roadmap zu entwickeln. Nur jeder Zehnte erklärt, die technische Umstellung bereits abgeschlossen zu haben. Fünf Prozent sind demnach gerade dabei, ihr ERP-System auf S/4HANA umzustellen.

Immerhin beschäftigen sich fast alle SAP-Anwenderunternehmen mit dem Thema. Nur drei Prozent wollen abwarten und sich darauf verlassen, dass SAP die Wartung für die Business Suite über das Jahr 2025 hinaus zu erträglichen Konditionen verlängern wird. In Reihen der Deutschsprachigen SAP-Anwendergruppe (DSAG) gibt es für diese Option etliche Fürsprecher: Vorstandssprecher Marco Lenck hatte zuletzt mehrfach durchblicken lassen, dass er mit einem Support für die Business Suite durch SAP auch nach 2025 rechne.

S/4HANA-Vorbereitungen dauern lange

Ein Blick auf die Pläne und Roadmaps der SAP-Anwender weist darauf hin, dass wohl nicht alle einen rechtzeitigen Umstieg auf S/4HANA hinbekommen werden. Lünendonk rechnet mit einem Projektstau ab 2022, zumal die Ressourcen auf Seiten der SAP-Berater schon heute dünn gesät seien. Laut Umfrage wollen die meisten Anwenderunternehmen ihre Vorstudien und Business-Pläne sowie ihren Proof of Concepts (PoC) bis 2021 abschließen. Ab 2022 dürfte dann die Projektlawine ins Rollen kommen. Zwei Drittel der Befragten wollen danach mit dem Rollout loslegen, die meisten Jahr 2022, etliche aber auch erst 2023.

Für das Gros der SAP-Anwender geht es beim Umstieg auf S/4HANA erst einmal um eine technische Migration ihres ERP-Systems. Nicht einmal ein Viertel denkt im Zuge der Umstellung über eine IT-Modernisierung beziehungsweise ein Redesign der eigenen Prozesse nach. Eine Ablösung von Eigenentwicklungen und Non-SAP-Produkten durch S/4HANA spielt in mehr als zwei Dritteln der Umzugspläne keine Rolle.

Anwender berichten von ihren S/4HANA-Erfahrungen:

Demzufolge wählen mit 57 Prozent die meisten Befragten einen Brownfield-Ansatz für die Umstellung. Sie wollen bestehende Prozesse und Strukturen weiter nutzen und optimieren und den Umstieg möglichst schnell bewältigen. Außerdem rechnen die SAP-Anwender im Zuge einer Brownfield-Migration mit weniger Arbeitsaufwand (29 Prozent), einem geringeren Risiko (22 Prozent) und erträglicheren Kosten (20 Prozent).

Den Greenfield-Weg zu S/4HANA favorisiert nur ein Viertel der Befragten. Sie versprechen sich von dem grundlegenderen Ansatz eine ganz neue, hochmoderne Systemlandschaft, "um für die Zukunft gerüstet zu sein", heißt es in der Studie. Das bedeutet allerdings auch mehr Aufwand. Fast alle Greenfield-Befürworter rechnen mit höheren Kosten.

In der Frage, ob Brownfield, Greenfield oder eine Mischform (Bluefield, Orangefield) ist aus Sicht der Lünendonk-Analysten allerdings noch nicht das letzte Wort gesprochen. Es sei durchaus möglich, dass sich etliche Betriebe im Zuge ihrer Planungen doch noch für den Greenfield-Ansatz entscheiden würden, da sich Brownfield aufgrund veralteter Prozesse und IT-Legacy als zu komplex erweisen könnte.