Rekrutierungsveranstaltungen unter veränderten Vorzeichen

28.06.2002
Von Christian Blees

Dieses Mal sind es ausschließlich namhafte Großunternehmen wie Allianz, Bayer und Deutsche Telekom, die sich in Berlin nach geeigneten Bewerbern umschauen. Das Procedere ist indes dasselbe geblieben wie in den Jahren zuvor: Hochschulabsolventen und Akademiker mit maximal sieben Jahren Berufserfahrung reichen ihre Bewerbungsunterlagen beim Kölner Rekrutierungsdienstleister HR Gardens Events & Sourcing ein. Dort erfolgt auf Grundlage der von den Bewerbern und Unternehmen geäußerten Präferenzen eine Vorauswahl. Etwa 100 Jobsuchende erhalten dann schließlich die Chance, an zwei Tagen mehrere Bewerbungsgespräche zu führen. Die Kosten für Anreise und Unterkunft übernehmen dabei die beteiligten Firmen.

"Die Qualifikation der Bewerber ist deutlich höher als in der Vergangenheit", freut sich Uwe Holländer, zuständig für Graduate Marketing beim Pharmariesen Bayer AG. In der Vergangenheit hätten sich "viele Leute auf den Career Days getummelt, die nur mal locker ein Jobangebot nach dem anderen einsammeln wollten, ohne konkretes Interesse zu zeigen".

Diesmal seien jedoch "nur Top-Kräfte" anwesend. "Wir hatten insgesamt 40 vorab vereinbarte Interviewtermine, hinzu kamen etwa 50 Initiativgespräche, bei denen uns die Bewerber ihre Unterlagen überreichten. Allein von diesen 90 Interessenten werden mindestens 40 in die engere Auswahl kommen. Eine solche Quote wäre noch vor einem Jahr undenkbar gewesen."

Dotcom-Opfer suchen Sicherheit

Die rapide gestiegene Zahl hochqualifizierter Fachkräfte kommt der Bayer AG nach Aussage Holländers gerade recht. Nachdem innerhalb des Konzerns vor fünf Jahren die Entscheidung fiel, SAP als Standardsoftware einzuführen, "sind wir jetzt erst auf halbem Wege angekommen. Der Personalbedarf in Sachen IT ist bei uns insofern weiter sehr groß." Egal, ob Informatiker, Physiker, Mathematiker oder (Wirtschafts-) Ingenieure - für alle frischgebackenen Absolventen oder erfahrene Fachkräfte aus diesen Bereichen sieht Holländer im eigenen Unternehmen nach wie vor sehr gute Entwicklungschancen.

Auch Klaus Schwiening, Human-Resources-Manager bei der Deutschen Telekom, zeigt sich von den Bewerbern durchweg begeistert. "Deren Auftreten hat sich deutlich geändert", sagt er. So seien Jobsuchende vor einem Jahr noch "mit verschränkten Armen bei uns vorstellig geworden und haben gefragt, was wir ihnen an Gehalt und Sozialleistungen zu bieten hätten". Inzwischen habe sich die Situation ins Gegenteil verkehrt: "Jetzt treten die Bewerber deutlich bescheidener auf und erzählen erst einmal von sich, bevor sie nach möglichen Stellenangeboten fragen."

Nach Schwienings Einschätzung hat die Deutsche Telekom auch nicht mehr mit dem Image des "schwerfälligen Riesen" zu kämpfen, das ihr aus Sicht vieler Jobsuchender angehaftet habe: "Unter den Bewerbern sind sehr viele Arbeitslose, die bis vor kurzem bei inzwischen Pleite gegangenen Dotcoms beschäftigt waren. Die wissen die Sicherheit, die ein großes Unternehmen wie wir zu bieten hat, jetzt mehr zu schätzen als früher." Alles in allem sei die Nachfrage derart groß, dass Schwiening Jobsuchende darum bittet, von Initiativbewerbungen abzusehen: "Interessenten sollten sich nur auf konkrete Stellenausschreibungen auf unseren Internet-Seiten melden."