Oracle will bei Java Boden gut machen

10.07.2002
Von 
Wolfgang Sommergut ist Betreiber der Online-Publikation WindowsPro.

Auf der Ende Juni in Kopenhagen abgehaltenen Konferenz „Oracleworld“ versuchte sich das kalifornische Softwarehaus nun wieder stärker als Plattformanbieter zu positionieren. Diese Ausrichtung beschränkt sich nicht nur auf das Marketing, sondern setzt auf ein deutlich erweitertes Produktportfolio. Dazu zählen neben der Datenbank 9i und dem 9i AS, die beide vor kurzem im Release 2 erschienen, eine umfangreiche Sammlung an Entwicklungs-Tools, das Werkzeug zur Systemverwaltung „Enterprise Manager“ sowie mitgelieferte Anwendungen auf Basis der Oracle-Plattform.

Schon aus historischen Gründen überrascht es wenig, dass die Datenbank weiterhin den Dreh- und Angelpunkt einer Oracle-basierenden IT-Infrastruktur bildet. Zum einen liegt dies daran, dass der Datenspeicher in der Vergangenheit praktisch alleine Oracles Plattformanspruch genügen musste und daher mit zahlreichen Funktionen versehen wurde, die andere Anbieter in Form separater Middleware implementieren. Zum anderen stellt die Datenbank weiterhin die größte Einnahmequelle dar, die zugunsten neuer Wachstumschancen ständig um Features erweitert wird. Dazu zählt in der Version 9i etwa die integrierte Olap-Engine oder nun in Release 2 die Speichermöglichkeiten für XML-Daten („XML DB“). In dieser Funktion als Schrittmacher gibt sie die Richtung für die hauseigenen Tools vor, die ihre neuen Features unterstützen sollen.

App-Server wird seinem Namen gerecht

Die späte Verfügbarkeit eines konkurrenzfähigen Applikations-Servers hat zur Folge, dass dieser in der Arbeitsteilung mit der Datenbank seine angestammte Funktion erst jetzt erlangt. So sah Oracles Anwendungsmodell bisher vor, dass das DBMS Java-Code nicht nur in Form von Stored Procedures ausführen kann, sondern dass dort auch Geschäftslogik als Enterprise Javabeans (EJBs) abläuft. Diese Aufgabe soll dem Backend nun entzogen und wie allgemein üblich auf den Middletier übertragen werden. Ken Jacobs, Vice President Product Stategy and Server Technologies, erklärte im Gespräch mit der COMPUTERWOCHE, dass Oracle mit dem Release 2 beider Produkte eine solche Anwendungsarchitektur offiziell empfehle. Der Datenbank sollen Funktionen vorbehalten bleiben, die datennahe Operationen ausführen und zumeist in SQL geschrieben werden.

Diese Aufgabenteilung bedeutet aber keineswegs, dass der kalifornische Hersteller beide Produkte möglichst unabhängig voneinander halten will. Vielmehr lassen Firmenverantwortliche keinen Zweifel daran, dass die Oracle-Plattform aus beiden, eng miteinander verzahnten Servern bestehen soll, ergänzt um übergreifende Management-Werkzeuge und Entwicklungs-Tools. Auf diese Weise möchte das spät gekommene Unternehmen noch seinen Anteil am Geschäft mit Applikations-Servern erobern.

Derzeit liegen die Marktführer IBM mit „Websphere“ und Bea Systems mit „Weblogic“ laut einer Studie von IDC mit 34 beziehungsweise 31 Prozent etwa gleichauf und damit deutlich vor der restlichen Konkurrenz. Ken Jacobs geht indes davon aus, dass Oracle alle seine Kunden früher oder später auf den hauseigenen Anwendungs-Server bringen werde. Eine derart optimistische Prognose gründet offenbar nicht nur im Vertrauen in das aggressive Marketing der Firma, sondern eben in den Wirkungen des hauseigenen Plattformkonzepts.