TNS Infratest

Marktforscher sehen deutsche IKT-Branche gut aufgestellt

19.06.2009
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Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.
Laut der Messung "ePerformance" von TNS Infratest liegt die deutsche IKT-Branche im europäischen Vergleich auf Rang zwei. Nachholbedarf sehen die Marktforscher allerdings in den Bereichen E-Government, Forschung und Bildung.

"Gelingt es der Informations- und Kommunikationswirtschaft, ihre vielfältigen Chancen in den Wachstumsbereichen zu nutzen, kann die IKT-Industrie auch für andere Branchen zum Wegbereiter werden, um gestärkt aus der Krise hervorzugehen", sagt Sabine Graumann, Director Business Intelligence bei TNS Infratest. Damit fällt die Bilanz der Marktforscher für den deutschen IKT-Standort in ihrem jährlichen Bericht "Monitoring Informations- und Kommunikationswirtschaft 2009" trotz aller Probleme durch die weltweite Finanzkrise durchaus positiv aus. Seit dem Jahr 2000 misst und vergleicht TNS Infratest im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie (BMWi) die "ePerformance" der großen europäischen IT-Standorte.

Im Performance-Ranking der europäischen IKT-Wirtschaften liegt Deutschland laut der aktuellen Messung auf Platz zwei. TNS Infratest zufolge liegt die deutsche IKT-Branche 15 Prozentpunkte über dem europäischen Durchschnitt, den die Marktforscher bei 100 Prozent ansetzen. In Führung liegt nach wie vor Großbritannien, das 22 Prozent über dem Durchschnitt rangiert. Es folgt Frankreich, das sich mit 97 Prozent leicht unter dem europäischen IKT-Schnitt einordnet. Die Schlusslichter im Vergleich der fünf bevölkerungsstärksten europäischen Staaten bilden Italien und Spanien, die mit 21 beziehungsweise 28 Prozentpunkten deutlich unter dem Durchschnitt liegen. Das Ranking ergibt sich aus Bewertungen für die drei Teilbereiche "Gesamtmarkt", "Infrastruktur" und "Anwendungen".

Vor allem in der Bewertung des Gesamtmarkts hat sich Deutschland aus der Sicht der Marktforscher deutlich verbessert und mit einem Ergebnis von 112 Prozent vor den bisherigen Spitzenreiter Großbritannien geschoben, das auf 109 Prozent kam. Verantwortlich dafür sei aus Sicht von TNS Infratest in erster Linie die hohe Zahl an IKT-Patentanmeldungen. In dieser Kategorie führt Deutschland mit 160 Prozent das europäische Ranking mit deutlichem Vorsprung an. Dieser Wert sei zudem ein Beleg für die hohe Innovationsfähigkeit des deutschen Standorts, hieß es. Darüber hinaus verzeichnete TNS-Infratest Steigerungen beim E-Commerce-Umsatz in Deutschland sowie deutliche Verbesserungen in Sachen Breitbandversorgung.

Wachstumsimpulse von 100 Milliarden Euro

Allerdings sehen die Marktbeobachter in einigen Segmenten Nachholbedarf. 50 Prozent der von TNS Infratest befragten Experten bewerten insbesondere Umsetzungsdefizite von Innovationen in marktreife Produkte als Schwäche des hiesigen IKT-Standorts. Darüber hinaus werde IKT-Forschung hierzulande nicht effizient genug betrieben, monieren Kritiker. Forschung und Entwicklung müsse sich deshalb stärker auf Top-Wachstumsbereiche fokussieren. Dazu zählen aus Sicht der Marktforscher die Bereiche Embedded Systems, E-Energy, das Internet der Dinge sowie der Dienste und mobile Anwendungen. Die Experten gehen davon aus, dass diese Innovationsbereiche in Deutschland bis zum Jahr 2020 zusätzliche Wachstumsimpulse von insgesamt 100 Milliarden Euro auslösen könnten.

Um diese Impulse zu spüren, müssen sich nach Angaben von TNS Infratest allerdings einige IKT-Faktoren verbessern. Dazu zählen aus Sicht der Experten eine moderne und sichere IKT-Infrastruktur, eine leistungsfähige öffentliche Verwaltung, die die Modernisierungspotenziale im Bereich E-Government besser ausschöpft, sowie mehr Investitionen in eine bedarfsgerechtere Aus- und Weiterbildung, um dem strukturell bedingten Fachkräftemangel entgegen zu wirken. Gelingen diese Hausaufgaben, habe der deutsche IKT-Standort die besten Voraussetzungen, im nächsten konjunkturellen Aufschwung zur führenden IKT-Nation Europas aufzusteigen, lautet das Fazit der Experten von TNS Infratest.