Linux-Zertifikate: Wer bietet was?

19.05.2004
Von 
Winfried Gertz ist Journalist in München. Er arbeitet in einem Netzwerk von zahlreichen Anbietern kreativer Dienstleistungen. Das Spektrum reicht von redaktioneller Hörfunk- und Fernsehproduktion über professionelle Fotografie bis zu Werbetexten für Industrieunternehmen und Non-Profit-Organisationen.

Vor dem RHCE-Examen müssen die Teilnehmer die Schulbank drücken. Pro Jahr finden weltweit rund 1300 Kurse statt, die mit einer schweren ganztägigen Prüfung enden. Anders als beim LPI, das wie Novell oder Suse für die Online-Tests zwischen 100 und 200 Dollar in Rechnung stellt, müssen die RHCE-Kandidaten tief in die Tasche greifen. Für die fünfteilige, mehrwöchige Schulung sind inklusive Prüfung gut 8000 Euro fällig. Das in der Linux-Gemeinde hoch gehandelte Zertifikat erhält, wer eine Maschine unter Zeitdruck auf eingebaute Fehler untersucht und erfolgreich repariert (Troubleshooting) sowie ein System gemäß Pflichtenheft installiert und konfiguriert. Wer nicht genug Punkte für den RHCE zusammenbekommt, kann sich mit dem weniger gehobenen Grad des Red Hat Certified Technician trösten - oder ganz durchfallen.

Die Nachfrage steigt

Laut Schulungsleiter Ziemann gilt der insbesondere für Systemadministratoren gedachte RHCE als Äquivalent zum Microsoft Certified Systems Engineer (MCSE), während der RHCT sich an Operatoren (Junior-Administratoren) wendet und etwa dem Microsoft Certified Professional (MCP) vergleichbar ist.

Die Nachfrage boomt: Schmücken sich weltweit bereits 10 400 IT-Profis mit dem 1999 erstmals vergebenen Edel-Label RHCE, verzeichnet Red Hat seit dem Programmstart vor einem Jahr immerhin schon 3700 zertifizierte RHCTs. Anwender würden Ausbildungsprojekte "auf Vorrat" starten, erklärt sich Ziemann den Bewerberandrang. In Erwartung einer bevorstehenden Kurskorrektur in der Lizenzpolitik "machen Unternehmen ihre Systemadministratoren bereits jetzt zum Thema Linux fit".

Wer nun meint, der durchaus beachtliche Erfolg von Red Hats Zertifizierungsstrategie gehe zu Lasten von LPI, sieht sich getäuscht. Allein im letzten Jahr ist die Zahl der weltweit abgelegten Examina von 30 000 auf 50 000 hochgeschnellt. Laut Torsten Scheck, Softwareentwickler und im Herbst 2003 in den LPI-Vorstand berufen, sind weltweit etwa 13000 Linux-Spezialisten im Besitz der Zertifikate LPI 1 und LPI 2. LPI 1 gibt es nach zwei Prüfungen: Jede dauert 90 Minuten und beinhaltet etwa 60 Fragen, die im Multiple-Choice-Verfahren zu beantworten sind. Bestanden hat, wer auf der von 200 bis 800 reichenden Punkteskala mindestens 490 erreicht.

Konzentriert sich die Einstiegszertifizierung auf die Verwaltung von Einzelplatzrechnern, setzt LPI 2 längere berufliche Erfahrungen voraus. Hier dreht sich alles um Netzanwendungen und Mehrbenutzer-Umgebungen. Auch diese Prüfung besteht aus zwei Teilen. Für die Lösung der etwa 55 Fragen ist ebenfalls anderthalb Stunden Zeit. Diesmal sind mindestens 460 Punkte zu erreichen.