Linux profitiert vom allgemeinen Sparzwang

14.11.2002
Von 
Ludger Schmitz war freiberuflicher IT-Journalist in Kelheim. Er ist spezialisiert auf Open Source und neue Open-Initiativen.

Der Druck auf Sun und andere Unix-Anbieter dürfte sich weiter verstärken, wenn der nächste Linux-Kernel 2.6 erscheint. Linus Torvalds hat diese Version für den Frühsommer nächsten Jahres angekündigt. Nach Angaben von Riek wird er die bisher auf acht Prozessoren begrenzte Skalierbarkeit deutlich erweitern. Außerdem wird der Kernel die Ressourcenverwaltung verbessern.

Einheitlichkeit bringt Sicherheit

Möglicherweise ebenfalls wichtig für die nähere Zukunft des offenen Betriebssystems ist United Linux. Die Initiative von Suse, Conectiva, Turbolinux und SCO wird noch in diesem Monat das gemeinsame Server-Basis-Betriebssystem ihrer Distributionen auf den Markt bringen. Die Betaversion haben nach Angaben von Paula Hunter, General Manager von United Linux, bisher 15.000 Interessenten aus dem Internet geladen. Die große Zahl ist nach ihrer Ansicht „ein Indikator, dass sich nicht nur Softwarehäuser, sondern auch viele Anwender für ein einheitliches Linux interessieren“. Der Grund: „Einheitlichkeit bringt Anwendern Sicherheit.“

Profitieren werden von United Linux aber in erster Linie Softwarehäuser. Für sie reduziert sich die Zahl der Linux-Varianten, an die sie ihre Anwendungen anpassen müssen. Entsprechend findet die Initiative Zuspruch in der IT-Industrie. „Der Linux-Markt leidet unter der begrenzten Unterstützung von Applikationen“, erklärt Sean Jackson, Marketing-Manager bei Bakbone, einem Anbieter von Software für das Speicher-Management. Sein Unternehmen unterstütze United Linux, weil es „die Linux-Entwicklung und -Zertifizierung vereinfacht“.

Einen Schönheitsfehler hat United Linux allerdings: Der führende Distributor Red Hat war von Anfang an nicht mit im Boot und hat unverändert kein Interesse, der Initiative beizutreten. Gleiches gilt für die Distributionen Debian und Mandrake. Live-Vertreter Riek erwartet keine Einigung der beiden Hauptkonkurrenten: „Die Fronten zwischen United Linux und Red Hat könnten nicht härter sein.“ Das aber sei nicht so schlimm. „Die Distributionen werden sich ohnehin technisch immer ähnlicher. Sie unterscheiden sich vor allem in ihren Installations- und Administrations-Tools. Besonders die Verwaltung der Systeme wird zum Argument im Wettbewerb der Distributionen.“

Standardisierung kommt voran

Niemand erwartet als Konsequenz aus der verschärften Konkurrenz der Distributionen eine Schwächung der Standardisierung, welche die Free Standards Group (FSG) mit der Spezifikation Linux Standard Base (LSB) vorantreibt. CA-Manager Pincomb meint: „LSB macht seinen Weg. Linux wird kein zweites Unix.“ Die Befürchtung, zu weit gefasste Spezifikationen könnten wie einst bei Unix zu inkompatiblen Betriebssystem-Varianten und entsprechend frustrierten Softwarehäusern sowie Anwendern führen, lässt die Schwergewichte der IT-Branche vorsichtig agieren. Nur Sun hat eine eigene Linux-Version herausgebracht. HP und Big Blue haben keine Intentionen dieser Art, weil dadurch ihre konkurrierenden Geschäftsinteressen auf die FSG durchschlagen würden. IBM-Manager Ludwig: „Wir wollen nicht, dass sich die Geschichte von Unix wiederholt.“

Die Branche hat gelernt, dass ihre Eifersüchteleien und Uneinigkeit nur Microsoft genutzt haben. Inzwischen ist das Open-Source-System eine echte Herausforderung für den Softwaregiganten aus Redmond geworden: zunächst nur auf dem Server, künftig wohl auch auf dem Desktop.

So haben beispielsweise Teile der öffentlichen Verwaltung in Deutschland beschlossen, nicht nur auf Servern, sondern auch auf Desktops Linux einzusetzen. Allenthalben laufen Machbarkeitsstudien und Pilotprojekte. In Frankreich, Großbritannien, den Benelux-Staaten und Skandinavien gibt es einen ähnlichen Trend zu Linux in den Amtsstuben. Der Grund ist überall gleich: Microsofts neues Lizenzmodell würde die IT-Kosten in die Höhe treiben und zu häufigeren Release-Wechseln zwingen als bisher üblich. Parallel zu der Entwicklung bei den Behörden steht bei den Banken die Ablösung des veralteten Betriebssystems OS/2 an. Auch hier legen gekürzte IT-Budgets Linux nahe.