Linux profitiert vom allgemeinen Sparzwang

14.11.2002
Von 
Ludger Schmitz war freiberuflicher IT-Journalist in Kelheim. Er ist spezialisiert auf Open Source und neue Open-Initiativen.
FRANKFURT/M. (COMPUTERWOCHE) - Die anhaltende Wirtschaftskrise spielt Linux-Spezialisten in die Hände, wie die Linux-World 2002 in Frankfurt zeigte. Auch auf dem Desktop entwickelt sich das Open-Source-System langsam zu einer Alternative.

Im Linux-Lager herrscht ungeachtet der schwachen IT-Konjunktur Optimismus. „Nach schweren Jahren geht es langsam wieder los“, zeigt sich Alfred Schröder, Geschäftsführer der auf Linux-Projekte spezialisierten Gonicus GmbH aus Arnsberg, zuversichtlich. Auch Daniel Riek, Vorstandsmitglied des Linux-Verbands „Live“, will auf der Linux-World, die vom 29. bis 31. Oktober 2002 in Frankfurt stattfand, eine „neue Aufbruchstimmung“ gespürt haben.

Gewachsenes Interesse der Anwenderschaft. (Foto: Stettin)
Gewachsenes Interesse der Anwenderschaft. (Foto: Stettin)

Die Ursachen sind leicht auszumachen. „Kosten, Kosten, Kosten“ nennt Jörg Ludwig, IBM-Direktor für Linux-Marketing, die Hauptgründe für das gewachsene Interesse der Anwenderschaft am Open-Source-System. Allerdings wären finanzielle Aspekte kaum überzeugend gewesen, wenn sich inzwischen nicht herumgesprochen hätte, dass Linux gewichtige technische Vorteile mitbringt, so Ludwig: „bessere Verfügbarkeit und Performance der Systeme sowie eine günstigere Auslastung der Ressourcen“.

Linux hat Vertrauen gewonnen

Optimismus auch in der Linux-Mannschaft von Hewlett-Packard. Service und Support, jahrelang von Kunden als größte Schwäche von Linux angesehen, „stehen jetzt“, beurteilt HP-Servicemann Ralf Baier einen wichtigen Grund für die Verbreitung des alternativen Systems. „Das Vertrauen in Linux hat stark zugenommen.“ Vor einem Jahr noch hätten die Interessenten eher gefragt, wozu man es überhaupt gebrauchen könne. „Heute haben die Kunden ganz klare Vorstellungen, wofür sie Linux einsetzen möchten.“ Allerdings sei vor überzogenen Erwartungen gewarnt. Mit ein paar Mausklicks lasse sich kein Linux-Projekt stemmen, so Baier: „Linux verlangt viel eigenes Engagement.“

Computer Associates (CA) hat inzwischen 54 seiner Betriebssystem-nahen Programme auf Linux portiert, weitere sollen rasch folgen, so John Pincomb, Vice President E-Business Solution Platforms. Im Prinzip eigne sich Linux zwar als einheitliches Betriebssystem vom PDA bis zum Mainframe. In der Realität aber bildeten sich heterogene Umgebungen, woraus Pincomb folgert: „Es geht darum, Linux zu integrieren und ein Betriebssystem-übergreifendes Management zu ermöglichen.“

Vom Web zum Applikations-Server

Es sind die Server, auf denen Linux, von Linus Torvalds ursprünglich als freies Desktop-Unix initiiert, in letzter Zeit die größten Fortschritte gemacht hat. Nach ersten Erfolgen als Basis für Internet-gerichtete Anwendungen wie Web- oder E-Mail-Server ist es dieser Nische schneller entwachsen, als vor wenigen Jahren absehbar war. „Linux ist dabei, sich auf Applikations-Servern zu etablieren“, erklärt Gonicus-Chef Schröder. „Es ist eine Plattform für unternehmenskritische Anwendungen geworden, als hochverfügbar und sicher anerkannt.“

Dem stimmt Mark de Visser, Marketing-Chef von Red Hat, zu. Die signifikanteste Entwicklung der letzten zwölf Monate sind in seinen Augen „die Erfolge von Linux auf Servern für unternehmenskritische Anwendungen“. Der Linux-Distributor präsentierte eine Kombination eines Dell-Rechners mit Red Hat Advanced Server, einer Oracle-Datenbank und Mysap. Allerdings sei Linux bisher „noch kaum über die Abteilungsebene hinaus verbreitet“, räumt Red Hats Manager de Visser ein. „Im Rechenzentrum ist Linux noch nicht angekommen.“

Abgesehen davon, dass diese Grenzziehung recht problematisch ist, könnte vor allem IBM dieser Aussage etliche Kundenbeispiele entgegenhalten. Beim Red-Hat-Partner Sun aber wird man sie mit Wohlwollen aufnehmen. „Im Lowend ist Linux akzeptiert, nicht jedoch im Highend, wo höchste Verfügbarkeit gefordert ist“, konstatiert Software-Manager Thomas Heinze von Sun. Sicher werde Linux wie einst Unix über die Jahre hinweg auf Highend-Niveau entwickelt. Auf dem Weg dahin werde die Open-Source-Plattform nach und nach diverse Unix-Derivate ablösen. Heinze: „Am Ende bleibt nur Solaris übrig.“

Zäh wie kein anderer Unix-Anbieter verteidigt Sun seine Marktposition. Doch schon heute werden vor allem in der technischen Entwicklung (CAx) große Unix-Server durch preisgünstige Intel-basierende Linux-Cluster verdrängt. Für Verbandssprecher Riek ist das eine der bemerkenswertesten Veränderungen der jüngeren Zeit: „Cluster sind heute gleichbedeutend mit Linux. Keiner geht da mehr mit Unix ran.“