Katerstimmung bei Offshore-Kunden

17.12.2003
Von 
Wolfgang Herrmann war Editorial Manager CIO Magazin bei IDG Business Media. Zuvor war er unter anderem Deputy Editorial Director der IDG-Publikationen COMPUTERWOCHE und CIO und Chefredakteur der Schwesterpublikation TecChannel.

Ausgeprägtes Hierarchiedenken

Zu den Unternehmen, die bereits erfolgreich Offshore-Projekte abgewickelt haben, gehört die Lufthansa Cargo AG. Trotzdem kritisiert auch CIO Ricardo Diaz Rohr: "Es wird exakt so entwickelt, wie es spezifiziert wurde. Eine Qualitätssicherung durch die Programmierer erfolgt nicht, selbst wenn die Spezifikation offensichtliche Mängel enthält." Ursächlich dafür sei das ausgeprägte Hierarchiedenken indischer Entwickler. Sie verhielten sich tendenziell weniger proaktiv als ihre deutschen Kollegen. Diaz-Rohr: "Es gibt kein Feedback bei unsinnigen Vorgaben."

Andreas Fichelscher, Direktor Organisation und Informatik bei der Deka Bank Deutsche Girozentrale, spricht von einer "anderen Art der Kommunikation in Indien". Auch kleinere Entscheidungen oder Abstimmungen in der Projektarbeit durchliefen nicht selten mehr als 20 Hierarchiestufen. "Der Offshore-Partner tut sich schwer, Probleme rechtzeitig anzusprechen."

Unterm Strich könnten kulturelle Faktoren die versteckten Kosten eines Offshore-Projekts erheblich in die Höhe treiben, warnt Franklin. Diese summierten sich laut Erhebungen mehrerer Marktforscher auf 15 bis 57 Prozent des gesamten Vertragswerts. Schon vor dem Projektstart sollten Unternehmen deshalb die "Total Cost of Offshoring" realistisch einschätzen. Dazu zählten auch andere häufig verdeckte Aufwendungen, etwa für die Anbieterauswahl, den Betriebsübergang, die Entlassung und Abfindung von Mitarbeitern oder das Vertrags-Management. Bis zu ein Jahr dauere es, um den erforderlichen Wissenstransfer zum Outsourcer zu bewältigen und kulturelle Unterschiede "auszubügeln".

Unklare Anforderungen kosten Geld

Dass sich unzureichend oder falsch definierte Anforderungen besonders kostentreibend auswirken können, haben inzwischen auch einige Serviceanbieter erkannt. So stellt etwa der Offshore-Dienstleister Inceda das Thema in den Vordergrund. "Die ökonomischen Folgen unklarer Projektanforderungen sind vielen Unternehmen nicht bewusst", sagt Ulrich Uhlenhut, Geschäftsführer der deutschen Niederlassung. Wer in der Analyse- und Designphase eines Softwareprojekts Fehler mache, werde dafür mit einer "Kostenfortpflanzung" bestraft. In der Implementierungsphase verursache jede falsch oder nicht identifizierte Anforderung bereits sechsmal so hohe Kosten wie zu Projektbeginn. Richtig teuer wird es, wenn solche Defizite erst im laufenden Betrieb erkannt werden. Dann verzehnfache sich der finanzielle Aufwand gegenüber der Implementierungsphase.