SPS Fachmesse Nürnberg 2019

IT und Automatisierung rücken enger zusammen

05.12.2019
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Manfred Bremmer beschäftigt sich mit (fast) allem, was in die Bereiche Mobile Computing und Communications hineinfällt. Bevorzugt nimmt er dabei mobile Lösungen, Betriebssysteme, Apps und Endgeräte unter die Lupe und überprüft sie auf ihre Business-Tauglichkeit. Bremmer interessiert sich für Gadgets aller Art und testet diese auch.
Trotz leichter Rückgänge bei Besuchern und Ausstellern bestätigte die Nürnberger Fachmesse für Automatisierungstechnik SPS auch in diesem Jahr ihre Bedeutung für Industrie 4.0 und Smart Factory. Der neue Name „Smart Production Solutions“ war dabei Programm.
Dank erweiterter Ausrichtung und neuem Namen konnte die SPS in ihrer 30. Ausgabe auch der schwächelnden Konjunktur trotzen.
Dank erweiterter Ausrichtung und neuem Namen konnte die SPS in ihrer 30. Ausgabe auch der schwächelnden Konjunktur trotzen.
Foto: Manfred Bremmer

1990 als Messe mit begleitendem Kongress, 63 Ausstellern und knapp dreieinhalb tausend Besuchern gestartet, hat sich die SPS im Laufe der vergangenen 30 Jahre kontinuierlich vergrößert und weiterentwickelt - auch thematisch. Statt Speicherprogrammierbaren Steuerungen, Industrie-PCs und Drives (elektrische Antriebe), die der Fachmesse ihren ursprünglichen Namen SPS IPC DRIVES gaben, stehen heute Lösungen für die smarte und digitale Automation im Mittelpunkt.

Im Rampenlicht der SPS 2019 in Nürnberg

Neben Funktionen aus der IT-Welt, wie zum Beispiel Machine Learning, Digitaler Zwilling sowie Cloud- und Big-Data-Technologien, spielt dabei mittlerweile vor allem das Thema Sicherheit eine große Rolle. So hatten die Messeverantwortlichen in Halle 6 einen eigenen Bereich zum Thema Industrial Security ausgewiesen. Hier informierten Aussteller wie genua, Fortinet oder das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) über die aktuellsten Produkte und Anwendungen im Bereich Industrial Security. Auch der seit 2015 bestehende Gemeinschaftsstand "Automation meets IT", der sich besonders mit Asset Management, Cloud-basierten Services, datenzentrierten Services und Predictive Maintenance befasste, war wieder eine beliebte Anlaufstelle für die Besucher.

Trotz schlechtem (Konjunktur)Klima war die SPS mit 63.700 Gästen relativ gut besucht.
Trotz schlechtem (Konjunktur)Klima war die SPS mit 63.700 Gästen relativ gut besucht.
Foto: Manfred Bremmer

Apropos Besucher: Nachdem die Messe bereits 2018 einen leichten Rückgang auf 65.700 verzeichnete, ging die Zahl in diesem Jahr um weitere 2000 Besucher zurück. Auch die Zahl der Aussteller sank, nämlich gegenüber dem Vorjahr von 1630 auf 1585. Möglicher Grund für das Ausbleiben etlicher Kunden und Anbieter zum 30. Jubiläum der SPS ist, dass es konjunkturell nicht sonderlich gut um die Automatisierungsbranche bestellt ist. Wie Jan Mrosik, neuer Vorsitzender des ZVEI-Fachverbands Automation und COO Digital Industries bei Siemens, ausführte, erwarte man nach zehn Jahren Wachstum für 2019 nur noch ein Umsatzplus im kleineren, einstelligen Bereich. Im kommenden Jahr rechnet der ZVEI mit einer Seitwärtsbewegung, gegebenenfalls auch einem Null-Wachstum.

Schuld daran sind laut ZVEI viele außenwirtschaftliche Gründe, während die langfristigen Entwicklungstrends, insbesondere die Anforderungen an einen wirkungsvollen Klimaschutz und die fortschreitende Digitalisierung nach wie vor Bestand hätten. Mrosik kann der schwächeren Konjunktur entsprechend auch positive Seiten abgewinnen: Die Beschaffungsprobleme bei Rohstoffen und Vorleistungen gehörten der Vergangenheit an und nachdem viele Unternehmen früher primär mit der Abarbeitung von Projekten beschäftigt gewesen seien, sei die Zeit nun reif für Innovationen und die Optimierung von Prozessen.

Starker Fokus auf Nachhaltigkeit und Energieeffizienz

Auch in Richtung Klimaschutz, denn "die Elektroindustrie ist eine Energieeffizienzbranche", wie Mrosik betonte. Ihre Produkte und Lösungen gäben wichtige Impulse, die Stromproduktivität weiter zu verbessern. "Die Industrie hat bereits geschafft, was anderen Sektoren noch bevorsteht: die Entkopplung von Wachstum und Energieverbrauch", erklärte der Siemens-Manager und verwies auf die zusammen mit dem BDI veröffentlichte Studie Klimapfade. So sei die Brutto-Wertschöpfung zwischen 2005 und 2016 um fast ein Fünftel gestiegen, der Stromverbrauch im selben Zeitraum hingegen gesunken. Dieses Verhältnis werde sich weiter zugunsten der Stromproduktivität verbessern. "Wir sehen, dass die Effizienzpotenziale noch nicht ausgeschöpft sind und moderne Automatisierungstechnik weitere Chancen eröffnet", so Mrosik.

Als Beispiel für einen nachhaltigen Umgang mit Ressourcen verwies Gunther Koschnick, Geschäftsführer des ZVEI-Fachverbands Automation, auf das Digitale Typenschild, das der ZVEI als Teilmodell der Industrie-4.0-Verwaltungsschale (AAS) auf der SPS erstmals vorstellte. Es soll die bisherigen Typenschilder um einen QR-Code ergänzen, über den spezifische Geräteinformationen digital, mehrsprachig und stets aktuell abgerufen werden können. "Die altherbrachte papierbegleitende Dokumentation, etwa das vorgeschriebene Handbuch in dreizehn Sprachen, entfällt somit - das ist eine riesige Entlastung für die Umwelt", so Koschnick.

5G - "2020 ist das Jahr des Testens"

Ein weiteres wichtiges Thema - auf der ZVEI-Pressekonferenz und allgemein auf der SPS 2019 - stellte der neue Mobilfunkstandard 5G dar. Das Thema war brandaktuell, nachdem die Bundesnetzagentur nur wenige Tage vor Messebeginn Unternehmen die Möglichkeit eröffnet hatte, Anträge auf die Nutzung lokaler 5G-Frequenzen stellen - und dies, wie der ZVEI-Fachverbandsgeschäftsführer erklärte, zu einer "erträglichen Gebühr".

5G passe sehr gut mit Industrie 4.0 zusammen und wegen der Sonderstellung Deutschlands beim Betrieb privater Funknetze könne hieraus in Verbindung mit Industrie-4.0-Anwendungen ein neuer Exportschlager entstehen, so Koschnick. Er verwies in diesem Zusammenhang auf die Bemühungen der ZVEI-Arbeitsgemeinschaft 5G-ACIA, initial einen Standard für die industrielle Produktion zurechtzuschneidern. Für die Automatisierer bedeute dies, dass nun der richtige Zeitpunkt sei, um 5G in der täglichen Anwendung zu testen, Erfahrungen im Aufrüsten der Automatisierungstechnik zu sammeln und die Erkenntnisse in die Standardisierung einfließen zu lassen. "2020 wird zum Test-Jahr und den Nachweis erbringen, dass lokale 5G-Campusnetze zu Produktivitäts- und Effizienzsteigerungen führen", gab sich Koschnick überzeugt.

Mrosik fügte hinzu, dass bereits das 5G-Release 16 erste industrielle Anforderungen erfülle. 2021 stünden dann mit Release 17 alle für die Industrie relevanten Funktionen, nämlich hohe Datenraten, niedrige Latenzzeit und hohe Verfügbarkeit zur Verfügung.

Mit der traditionell belegten Frankenhalle (Halle 11) stellt die SPS 2019 eine Art Hausmesse für Siemens dar.
Mit der traditionell belegten Frankenhalle (Halle 11) stellt die SPS 2019 eine Art Hausmesse für Siemens dar.
Foto: Mesago/Malte Kirchner

Wie sein Vorstandskollege Klaus Helmrich auf der Siemens-Pressekonferenz erklärte, spielt 5G bei Siemens gleich in zweierlei Hinsicht eine Rolle: Zum einen will der Hersteller sein Portfolio um industrielle, 5G-basierte Hardware erweitern und seinen Kunden so eine entsprechende Infrastruktur für industrielle Zwecke zur Verfügung zu stellen. Zum anderen befindet sich 5G bei Siemens selbst im Erprobungsstadium und soll in allen sechs Werken des Bereichs "Digital Industries" eingeführt werden. "5G ermöglicht die nächste Stufe der Flexibilisierung und der Effizienzsteigerung in den Fabriken", so der CEO Digital Industries bei Siemens.

Eine hochleistungsfähige Funktechnologie wie 5G ist für Boschs Vision von der Fabrik der Zukunft eine wesentliche Voraussetzung.
Eine hochleistungsfähige Funktechnologie wie 5G ist für Boschs Vision von der Fabrik der Zukunft eine wesentliche Voraussetzung.
Foto: Bosch

Auch Bosch bereitet sich und seine Produkte auf das industrielle 5G-Zeitalter vor. Für die Weiterentwicklung der Fabriken beantragte das Unternehmen 5G-Lizenzen bei der Bundesnetzagentur, die den Aufbau von lokalen Campus-Netzen ermöglichen. Auf der SPS 2019 stellte Bosch Rexroth mit ctrlX AUTOMATION außerdem eine neue Automatisierungsplattform vor, deren Betriebssystem und Software von Beginn an 5G-kompatibel sein und eine rasche Inbetriebnahme unterstützen sollen. Auch ältere Maschinen im Bestand könnten über Retrofit-Lösungen mit der neuen Technik nachgerüstet werden, wenn die neue Automatisierungsplattform 2020 auf den Markt kommt, hieß es.

IoT, ML und KI sind in der Industrie angekommen

Während 5G erst noch an Bedeutung zulegen muss, sind Themen wie Künstliche Intelligenz (KI), Machine Learning (ML) und insbesondere Internet of Things (IoT) längst bei den Automatisierern angekommen und entsprechende Verbindungen zur IT-Welt aufgebaut. Auf der SPS in Nürnberg manifestierte sich dies unter anderem in der starken Präsenz von Industriepartnern und -Kunden auf den Ständen von IT-Playern - und umgekehrt.

So zeigte der Verbindungsexperte Weidmüller Interface auf dem Microsoft-Stand sein Automated Machine Learning Tool. Die auf Basis von Microsoft Azure erstellte Lösung soll Domain-Experten ermöglichen, in gerade einmal 20 Minuten hochwertige Machine-Learning-Modelle, beispielsweise für Predictive Maintenance, zu erzeugen. Voraussetzung ist dabei laut Weidmüller lediglich Wissen über die Applikation, um durch die Verknüpfung von unsupervised und supervised ML bessere Modelle zu erzeugen. Die Expertise von raren - und entsprechend teuren - Data Scientists werde nicht benötigt.

Die Hilscher Gesellschaft für Systemautomation, Produzent und Dienstleister von Automatisierungslösungen für die Fabrikautomation, wiederum stellte bei Microsoft ihr Edge-Management-Portal auf der Basis von Azure IoT Edge vor. Gerätehersteller können es als White-Label-Produkt nutzen, um es für die eigene Geräte- und Containerverwaltung einzusetzen.

Die Software AG wiederum war mit ihrer IoT-Plattform Cumulocity neben einer eigenen Ausstellungsfläche an den Ständen von Partnern wie autosen, SMC, Pepperl+Fuchs und der Open Industry 4.0 Alliance vertreten. Im Fokus standen dabei Best Practices wie ein smarter Wassertank, dessen Daten über das IoT Gateway "io-key" in Echtzeit in die Cloud gebracht und dort in Cumulocity IoT ausgewertet werden. Als anschauliches Beispiel für eine Lösung aus dem Maschinenbau hatte die Software AG auch noch eine Popcorn-Maschine im Gepäck, die mit verschiedensten Sensoren, dem io-key und der Cloud-Integration-Plattform webMethods.io ausgestattet wurde.

Mit Emulate 3D von Rockwell Automation können Unternehmen einen funktionsfähigen digitalen Zwilling einer Produktionsanlage erstellen und mittels Virtual Reality inspizieren.
Mit Emulate 3D von Rockwell Automation können Unternehmen einen funktionsfähigen digitalen Zwilling einer Produktionsanlage erstellen und mittels Virtual Reality inspizieren.
Foto: Manfred Bremmer

Zu einem regelmäßigen Gast auf der SPS entwickelt sich auch die primär für ihre PC-Fernzugriffslösungen bekannte Teamviewer AG. Der Göppinger Softwareanbieter hat daneben aber auch ein Fernwartungs-Tool für Sensoren, speicherprogrammierbare Steuerungen (SPS), Gateways und andere IoT-Geräte entwickelt. Teamviewer IoT ermöglicht Betreibern von Maschinen, diese aus der Ferne zu steuern, zu überwachen und zu verwalten. So können sie für die IoT-Edge-Geräte Parameter vorgeben und anhand von Regeln definieren, wie reagiert werden soll, wenn bestimmte Werte über- oder unterschritten werden. Unter gewissen Umständen ist aber auch die Erkennung, Diagnose und Behebung von Problemen aus der Ferne möglich, etwa, wenn kein Techniker vor Ort ist.

In der neuesten Version bietet Teamviewer IoT außerdem die Möglichkeit, mit der Funktion AppControl eine benutzerdefinierte Benutzeroberfläche für ein Gerät oder System ohne GUI zu erstellen. Diese erlaubt dem Techniker dann nicht nur eine Echtzeitansicht der auf dem Edge-Gerät verarbeiteten Daten, sondern er kann auf Basis von diesen auch Regeln erstellen.

Podiumsdiskussion auf der SPS: Larry Terwey (A1 Digital), Myriam Jahn (QSC/Q-loud), Christian Koch (NTT) und Sven Koltermann (Telefónica) diskutierten mit CW-Redakteur Jürgen Hill die Ergebnisse der neuen IoT-Studie
Podiumsdiskussion auf der SPS: Larry Terwey (A1 Digital), Myriam Jahn (QSC/Q-loud), Christian Koch (NTT) und Sven Koltermann (Telefónica) diskutierten mit CW-Redakteur Jürgen Hill die Ergebnisse der neuen IoT-Studie

Dass das Thema Internet of Things endgültig in den Unternehmen angekommen ist, ist auch ein Ergebnis der neuen IoT-Studie von IDG Research Services, die auf der Messe in Nürnberg erstmals vorgestellt wurde. Die Ergebnisse wurden in einer Podiumsdiskussion mit Vertretern von NTT Deutschland, QSC/Q-loud, Telefonica und A1 Digital bewertet und kommentiert.

Die Studie Internet of Things 2019/2020 finden Sie hier in unserem Studienshop