Nürnberger Automatisierungsmesse SPS mit Digitalisierung im Fokus?

IT erobert industrielle Automation

01.12.2017
Von  und
Jürgen Hill ist Chefreporter Future Technologies bei der COMPUTERWOCHE. Thematisch befasst sich der studierte Diplom-Journalist und Informatiker derzeit mit aktuellen IT-Trendthemen wie KI, Quantencomputing, Digital Twins, IoT, Digitalisierung etc. Zudem verfügt er über einen langjährigen Background im Bereich Communications mit all seinen Facetten (TK, Mobile, LAN, WAN). 


Manfred Bremmer beschäftigt sich mit (fast) allem, was in die Bereiche Mobile Computing und Communications hineinfällt. Bevorzugt nimmt er dabei mobile Lösungen, Betriebssysteme, Apps und Endgeräte unter die Lupe und überprüft sie auf ihre Business-Tauglichkeit. Bremmer interessiert sich für Gadgets aller Art und testet diese auch.
Die IT-getriebene Digitalisierung zieht immer stärker in die industrielle Fertigung ein. Automatisierungsspezialisten befassten sich auf der Nürnberger SPS IPC Drives 2017 plötzlich mit Themen wie Edge- und Cloud-Computing oder Cyber-Security.
Gleich eine ganze Halle widmete Siemens auf der SPS dem Thema Digitalisierung.
Gleich eine ganze Halle widmete Siemens auf der SPS dem Thema Digitalisierung.
Foto: Hill

Ein weiteres Indiz für den Wandel, wenn nicht gar für die Revolution, die gerade über die Unternehmen weltweit hinwegfegt, war die 28. SPS IPC Drives 2017. So ist die Digitale Transformation auch auf der SPS IPC Drives ein wichtiges Thema. Auf der klassischen Messe für industrielle Automatisierungstechnik nehmen Themen wie Digitalisierung, Industrie 4.0, IoT etc. einen immer breiteren Raum ein.

IT trifft Automation

Auf der klassischen Automatisierungsmesse SPS sind immer mehr IKT-Player zu finden. Hier etwa die Telekom.
Auf der klassischen Automatisierungsmesse SPS sind immer mehr IKT-Player zu finden. Hier etwa die Telekom.
Foto: Hill

So viel Raum, dass die Messegesellschaft in diesem Jahr das bisherige Schwerpunktthema "Mechanische Infrastruktur", das bislang dediziert in der Halle 6 beheimatet war, auf verschiedene Hallen aufteilte. Dafür war die Halle 6 jetzt erstmals ausschließlich der Verschmelzung von IT und Automation gewidmet. Dementsprechend traf der IT-affine Messebesucher bei einem Gang durch die Hallen auf eine Vielzahl von bekannten Namen wie T-Systems, Microsoft, SAP, Kaspersky, Adamos, Dell, Relayr, Autodesk, Gemalto etc. Wobei die größeren IT-Player auf ihren Ständen noch zahlreiche Partner zu Gast hatten.

Verschmelzung von Produktion und IT

Egal ob IoT, Digitalisierung oder Industrie 4.0 - an diesen Themen kam kaum ein Aussteller vorbei.
Egal ob IoT, Digitalisierung oder Industrie 4.0 - an diesen Themen kam kaum ein Aussteller vorbei.
Foto: Hill

Welche Möglichkeiten die Verschmelzung von IT und Produktionstechnik eröffnen, zeigten in der Halle 6 mehrere Hersteller. Machineering etwa integrierte verschiedene VR-/AR-Brillen in die Software industrialPhysics. Auf diese Weise konnten Besucher direkt am Stand Anlagen in einer neuen Dimension erleben und für sich entscheiden, welches System am besten passt. Die ISG Industrielle Steuerungstechnik GmbH präsentierte die neueste Version ihres Simulationssystems ISG-virtuos. Die Hardware-in-the-Loop-Simulation realisiert Digital Twins, die nicht von realen Maschinen zu unterscheiden sind. Die erstellten Simulationen sichern nicht nur Anlagenauslegungen ab, sie ermöglichen auch die reale Inbetriebnahme an virtuellen Komponenten.

Eine große Rolle spielte in der Halle 6 ferner das Thema Cyber-Security. Schubert System Elektronik und genua zeigten etwa ein Schutzsystem für die sensible Schnittstelle Maschine-LAN beziehungsweise Internet. Dies soll den gezielten und geschützten Datenaustausch in Produktionsbereichen ermöglichen.

IoT-Prozesssteuerung der Telekom

Der Siegeszug der IT in der Produktion erhöht die Angst um die Cyber-Security.
Der Siegeszug der IT in der Produktion erhöht die Angst um die Cyber-Security.
Foto: Hill

Bei der Telekom standen Lösungen für Industrieanwendungen im Internet of Things (IoT) im Vordergrund. Zusammen mit dem Automatisierungsspezialist Eaton zeigte die Telekom auf der Messe das Produkt "Predictive Maintenance", bei dem Eaton die Prozesssteuerungen und die Telekom die IoT-Plattform sowie die Konnektivität bereitstellt. Zusätzliche Dienste wie SMART Monitoring ergänzen die Lösung von Eaton und Telekom. Die Lösung beruht auf einem neuronalen Netz, das Anomalien auf Basis von Maschinendaten erkennt und verarbeitet. Hinzu kommt HARTING MICA (Modular Industry Computing Architecture). Hier handelt es sich um eine kompakte und robuste Box, die dezentral Aufgaben im Feld übernimmt. Sie erfasst Sensordaten, orchestriert SPS-Systeme und kommuniziert mit zentralen IT-Systemen und der Cloud. Apropos Cloud, hier offeriert der Bonner Carrier mit der "Cloud der Dinge" eine IoT-Plattform, mit der Anwender auf Gerätedaten zugreifen, Schwellwerte etwa für Alarme festlegen, Geräteupdates durchführen und Maschinen fernsteuern können. Für eine unkomplizierte Einbindung sorgen zwei Funktionen: der "Cloud Fieldbus" ermöglicht die Einbindung von Maschinen und soll Programmierarbeit ersparen. Über Cloud Remote Control erfolgt aus der Ferne direkt der Zugriff auf die Benutzerschnittstelle des Devices.

Azure IoT

Bei Microsoft stand das Thema Azure IoT im Vordergrund.
Bei Microsoft stand das Thema Azure IoT im Vordergrund.
Foto: Hill

Am Stand von Microsoft wiederum wurde den Besuchern zusammen mit Partnern an zahlreichen Beispielen demonstriert, wie Geräte und Produkte über die Cloud vernetzt und mit Intelligenz angereichert werden. Ím Vordergrund standen dabei unter anderem vorkonfigurierte Lösungen für den Mittelstand und der offene Interoperabilitätsstandard OPC UA - Microsoft ist nicht ohne Grund größter Zulieferer von Source Code für die OPC Foundation. Mit der auf der SPS IPC Drives gezeigten Azure IoT Suite Connected Factory verspricht Microsoft speziell für die Fertigungsindustrie eine einfache Möglichkeit, ihre Anlagen über OPC UA mit der Azure IoT Suite zu verbinden. Damit lässt sich die Lösung dazu einsetzen, um den Datenstrom von Geräten mit SPS-Steuerungen während des Betriebs zu analysieren und anhand der Messwerte Änderungen an den Geräten vorzunehmen.

Aber auch die klassischen Automatisierungsthemen kamen nicht zu kurz - wenn auch digitalisiert.
Aber auch die klassischen Automatisierungsthemen kamen nicht zu kurz - wenn auch digitalisiert.
Foto: Hill

Wie Erich Banstedt, Principal Software Engineering Lead Azure Industrial IoT bei Microsoft, erklärte, erfreut sich auch die als Open Source auf GitHub veröffentlichte Version der Lösung bei Herstellern großer Beliebtheit. Mittlerweile setzten bereits 13 Partner auf Microsofts OPC-UA-Gateway-Komponenten, um eine nahtlose Verbindung ihrer Geräte in die Microsoft-Cloud zu ermöglichen. Microsoft selbst bietet zusammen mit HPE (Gateway) und Softing (OPC-Suite) ein vorkonfiguriertes Paket als Industrial IoT Starter Kit an. Eine weitere Neuerung am Microsoft-Stand war ein OPC UA Global Discovery Server - dieser ermöglicht es Industrieunternehmen, die Zertifikate ihrer OPC UA Server remote über die Cloud und vor allem automatisch zu administrieren.

Shopfloor versus IT-Abteilung

Adamos nutzt die Gelegenheit, um sich und die eigene IoT-Plattform auf der SPS der Öffentlichkeit zu präsentieren.
Adamos nutzt die Gelegenheit, um sich und die eigene IoT-Plattform auf der SPS der Öffentlichkeit zu präsentieren.
Foto: Hill

Auch wenn das Thema IT in der Produktion/Automation zwar in Halle 6 das bestimmende Thema war, so war es dennoch überall in den anderen Hallen ebenfalls anzutreffen. Kaum ein Hersteller von Automatisierungstechnik der seine Produkte nicht mit Labeln wie IoT, Industrie 4.0 oder Digitalisierung schmückte, wie etwa Rockwell Automation. Messeauftritte, die gleichzeitig das Dilemma dokumentieren, in dem viele Aussteller stecken: Sie wissen - ähnlich wie die IT-Firmen - nicht mehr, wer in den Unternehmen bei Projekten ihre Ansprechpartner sind. "Bei Digitalisierungsprojekten ist immer häufiger weniger der Shopfloor noch die IT der Ansprechpartner, sondern gleich der CEO oder Geschäftsführer, da das auf strategischer Ebene entschieden wird", so ein Aussteller.

Eine Sonderrolle auf der SPS nahm wie üblich Siemens ein. Der Konzern hatte gleich eine gesamte Halle angemietet und der Digital Factory gewidmet. Ein Schwerpunkt des Messeauftritts bildete das IoT-Betriebssystem MindSphere.