In Russland kommt es auf den Titel an

13.05.2005
Von 
Hans Königes war bis Dezember 2023 Ressortleiter Jobs & Karriere und damit zuständig für alle Themen rund um Arbeitsmarkt, Jobs, Berufe, Gehälter, Personalmanagement, Recruiting sowie Social Media im Berufsleben.

Schwieriges Arbeitsumfeld und hohe Erwartungen

Die Arbeitsbedingungen in Russland sind mit denen in Westeuropa meist nicht zu vergleichen. Das fängt schon mit den Zimmern an. "Unsere Kollegen arbeiten häufig auf Baustellen", so Lehmann. "Alles ist noch im Aufbau. Kleine, verstaubte Räume und halbfertige Gebäude sind daher keine Seltenheit." Auch wenn das SAP-Haus versucht, russischsprachige Berater einzusetzen und Gespräche ansonsten auf Englisch zu führen, kann es zu Sprachschwierigkeiten kommen. Außerhalb der Ballungszentren St. Petersburg und Moskau sprechen viele Russen kein Englisch, und nicht immer verfügen westliche Berater über umfassende russische Sprachkenntnisse.

"Problematisch wird das aber nur, wenn man darauf nicht vorbereitet ist", so Lehmann. "Mit der Zeit spielt sich die Zusammenarbeit ein." Auch die Mentalität der Russen ist ein wichtiger Faktor. Namen und Titel sind hier von großer Bedeutung. Während man in Westeuropa zunehmend auf Bezeichnungen wie "Premium Consultant" oder "Solution Architect" verzichtet, legen russische Kunden großen Wert darauf. "Unsere Berater verteilen in Russland andere Visitenkarten als in Westeuropa", erzählt Lehmann.

Westliche Berater sind teurer als russische Kollegen

"Russische Unternehmen setzen westliches Know-how gleich mit Qualität und einem echten Mehrwert", so der Ciber-Manager weiter. "Auch wenn inländische Consultants über die gleiche Qualifikation verfügen, werden Westeuropäer vorgezogen." Bei Kunden aus Westeuropa, die einen Rollout nach Russland planen, ist es genau umgekehrt. Hier vertraut man eher auf russische Berater, die die Spezifika des Landes - besonders in den Bereichen Finanzen und Steuern - genau kennen.

Ein weiterer Unterschied besteht in der Preisgestaltung. Während Festpreisprojekte in Westeuropa eher unüblich sind, gehören sie in Russland zur Tagesordnung - eine zusätzliche Herausforderung, denn westliche Beratern sind teuer. Projekte dauern im Durchschnitt etwa sechs bis zwölf Monate. In der Regel reisen die Berater am Wochenende zu ihrer Familie zurück. Die Flugkosten sind also enorm. Auch ist der Tagessatz eines westlichen Beraters im Vergleich zu einem russischen mit ähnlicher Qualifikation wesentlich höher. Um die Projektkosten niedriger zu halten, werden daher auch zunehmend russische Berater eingestellt, die bereits für westliche Unternehmen gearbeitet haben. "Auch diese Qualifikation wird von vielen russischen Kunden akzeptiert und ist ein Qualitätsmerkmal", so Lehmann.