Desktop-Virtualisierung

Hype oder Realität?

06.12.2010
Von 
Wolfgang Sommergut ist Betreiber der Online-Publikation WindowsPro.

Die Gesetze des Rechenzentrums

Mit dem Umzug der Desktops in das Rechenzentrum tauschen Unternehmen den billigsten verfügbaren Speicher, die lokale SATA-Festplatte, gegen den teuersten, den von SANs. Er wird dann paradoxerweise für Daten benutzt, denen Unternehmen den geringsten Wert beimessen, nämlich den Dateien von Windows und lokal installierten Programmen. Bekanntlich ist es gängige Praxis, fehlkonfigurierte PCs zu reparieren, indem sie mit einem Standard-Image überschrieben werden.

Während kaum jemand auf die Idee kommt, die Installation der Clients zu sichern, ist das Disaster Recovery bei VDI sehr wohl ein Thema. Es liegt auf der Hand, dass der Ausfall der zentralen Infrastruktur gravierende Auswirkungen haben kann, wenn dadurch Dutzende oder Hunderte Mitarbeiter keinen Zugang zu den IT-Systemen haben. Vereinzelte Ausfälle herkömmlicher Desktops hingegen sind keine Seltenheit und werden von IT-Abteilungen routinemäßig behoben. Insgesamt könnten Unternehmen die Einführung von VDI-Lösungen mit Service-Level-Agreements (SLAs) verknüpfen, die je nach Ansprüchen die Kosten in die Höhe treiben.

Erst Modularisierung, dann Virtualisierung?

Die Zentralisierung der Desktops durch VDI erfordert parallel den Abschied vom etablierten monolithischen Client, bei dem Hardware, Betriebssystem, Anwendungen und Benutzereinstellungen fest miteinander verschweißt sind. Ein persönliches Systemabbild einer solchen Installation für jeden Benutzer läuft allen Zielen einer Desktop-Virtualisierung entgegen.

Bei Techniken zur Modularisierung des Desktops handelt es sich dagegen um Formen der Virtualisierung, die sich auch auf herkömmliche Clients anwenden lassen. Während Microsoft bei VDI nur relativ wenig Ambitionen zeigt, forciert der Hersteller die Applikationsvirtualisierung mit App-V. Diese isoliert nicht nur die Anwendungen vom Betriebssystem und vermeidet damit die negativen Effekte herkömmlicher Installation. Zusätzlich führt sie mit dem bedarfsorientierten Streaming des Programmcodes einen neuen Distributionsmechanismus ein, der zentrales Management mit den Vorteilen lokaler Ausführung kombiniert.

Ähnliche Aktivitäten sind bei der Virtualisierung der Benutzerumgebung zu beobachten, die nicht nur die individuellen Einstellungen und Daten, sondern im Idealfall auch vom Anwender selbst installierte Software umfasst. Mittlerweile hat sich für diesen Bereich eine eigene Marktnische von innovativen Herstellern gebildet, aus denen sich die Branchengrößen immer wieder durch Zukäufe bedienen.

Im Sinne einer kontinuierlichen Weiterentwicklung des Desktops scheint es plausibel, dass Firmen zuerst das traditionelle Modell um derartige Ansätze ergänzen. Sie erreichen damit einen höheren Grad an Zentralisierung, ohne mit der bisherigen Praxis radikal brechen zu müssen. Ist der modulare Desktop erst einmal Realität, fällt es Unternehmen relativ leicht, ihn bei entsprechenden Anforderungen in das Rechenzentrum zu verlagern - schließlich besteht er im günstigsten Fall nur mehr aus einem standardisierten Windows-Image.