CW: Frau Glaser-Radtke, wie schätzen Sie den Arbeitsmarkt für SAP-Experten derzeit ein?
Glaser-Radtke: Die Krise von 2008 / 2009 ist vorbei und der Arbeitsmarkt für die IT- und SAP-Beratung hat stark angezogen. Experten werden wieder verzweifelt gesucht. Das hat es lange nicht gegeben. Seit Herbst 2010 haben wechselwillige Kandidaten extrem gute Karten, und wir haben seit vielen Jahren erstmals wieder einen Arbeitnehmermarkt.
CW: Viele Unternehmen, die also vor zwei, drei Jahren entlassen haben, müssen jetzt wieder neu einstellen?
Glaser-Radtke: Ja, so ist es. Und die Arbeitgeber, die damals das Angebot zur Kurzarbeit in den Wind schrieben und sich lieber in vermeintlich gewohnter Weise von Personal trennten, haben es heute schwerer, wieder die richtigen Kandidaten an Bord zu nehmen. Denn gerade im SAP-Umfeld kommen die guten Kräfte entweder schnell in einem anderen Unternehmen unter oder machen sich selbständig. In Phasen von Abbau, Umbau, Aufbau, macht sich ein fairer Abschied von langjährig loyalen Mitarbeitern immer bezahlt, wenn es zu besseren Zeiten wieder heißt: Wir wollen wachsen!
Susanne Glaser-Radtke
Susanne Glaser-Radtke ist Geschäftsführerin der GIM Gruppe (www.gim-gruppe.com) und Personalberaterin mit Schwerpunkt IT / SAP. Im Auftrag personalsuchender Kunden, darunter DAX-Unternehmen, besetzt sie die unterschiedlichsten Vakanzen, durchaus auch mit 50+ Kandidaten. Zudem bietet sie Kandidaten Karriereberatung und Unterstützung im Bewerbungsprozess an. Ihr Credo lautet: Unabhängig ob Young Professional oder Grey Head, altersgemischte Teams können wechselseitig voneinander lernen und somit einen großen Wertschöpfungs-beitrag für ein Unternehmen leisten.
CW: Wie prekär ist die Situation für die Arbeitgeber konkret?
Glaser-Radtke: Laut der Studie "Recruiting Trends 2011", in der die Top 1000 Unternehmen in Deutschland befragt wurden, sind nahezu 37 Prozent aller Vakanzen schwer und etwa fünf Prozent gar nicht mehr zu besetzen. In den kritischen Bereichen Engineering und IT ist es bereits eng. Im Umkehrschluss heißt dies: SAP-Experten vom Entwickler bis zum Projektmanager haben derzeit gute Chancen.
CW: Gilt dies auch für ältere Bewerber?
Glaser-Radtke: Die große Nachfrage hat einen enormen Wandel am Arbeitsmarkt gebracht. Wurde vor noch gar nicht langer Zeit häufig ein Wunschalter zwischen maximal 40 bis 45 Jahren angegeben, ist die Erwerbsquote der 55 bis 64-jährigen auf fast 60 Prozent gestiegen. Wir erleben eine Erfahrungsrenaissance, und im Bewerbermarkt bewegen sich deutlich mehr Experten im Alter von 45 bis 58 Jahren. Zum einen ist es der Situation geschuldet, dass die Verrentung mit 67 auch für einen heute 50-jährigen noch viele attraktive Angebote am IT/SAP-Arbeitsmarkt bereithält, hat er oder sie doch noch ein Drittel der Lebensarbeitszeit vor sich. Andererseits wachsen die benötigten jungen Fachkräfte nicht so schnell nach.
CW: Haben Ältere denn wirklich Chancen gegenüber jungen Absolventen, die den Arbeitgeber weniger kosten?
Glaser-Radtke: Personalkosten sind immer ein Thema, wenn man unter Umständen zwei junge für einen erfahrenen Mitarbeiter einstellen könnte. Aber andererseits soll ein neuer Mitarbeiter von 0 auf 100 performen und sofort in Projekten "chargeable hours" schreiben. Das ist zweifellos der Vorteil der langjährig erfahrenen Projekteure. Absolventen bringen nicht die notwendige Erfahrung mit und müssen häufig auch noch die erforderlichen Soft Skills im Umgang mit Projektteammitgliedern und Kunden trainieren. Natürlich kommt es darauf an, wo man wen einsetzt, zum Beispiel als Projektassistent.
- 1. Betrachten Sie sich nicht als passiver „Arbeit-Nehmer“, sondern als selbstverantwortlich handelnder „Arbeitsmarkt-Unternehmer.“
Sie verkaufen ein Produkt, nämlich Ihre Arbeitskraft, und es ist Ihre Aufgabe, dieses Produkt laufend zu verbessern. In drei Jahren müssen Sie ein besserer Arbeitnehmer sein, als Sie es heute sind – wenn Sie in drei Jahren ein neues Auto kaufen, erwarten Sie schließlich auch, dass es ein besseres Modell ist als das, welches Sie heute fahren. - 2. Schätzen Sie Ihre Arbeitsmarktfitness realistisch ein.
Analysieren Sie Ihre eigenen Fähigkeiten und gleichen Sie diese realistisch mit dem ab, was derzeit gefragt ist. Lassen Sie sich regelmäßig Feedback von Kollegen und Vorgesetzten geben und nehmen Sie dieses ernst. - 3. Bleiben Sie geistig flexibel.
Das Umfeld, in dem Ihr Unternehmen tätig ist, hat sich bereits in den letzten zehn oder 15 Jahren tiefgreifend gewandelt, und die Zukunft wird noch mehr und noch schnelleren Wandel bringen. Dieser wird auch an Ihrem Job deutliche Spuren hinterlassen, in Ihrem Unternehmen und in der ganzen Branche. Das sollten Sie rechtzeitig erkennen und sich darauf einstellen. - 4. Besuchen Sie Weiterbildungsmaßnahmen – notfalls auch auf eigene Kosten.
Besonders die Personalabteilungen größerer Unternehmen legen Wert auf Zertifikate und Schulungsbestätigungen. Nur wer diese in seiner Personalakte hat und regelmäßig neue hinzufügt, dokumentiert seine Veränderungsbereitschaft und Lernwilligkeit. Auch im Hinblick auf externe Bewerbungen sollten Sie jährlich zwei bis vier Tage in Schulungen, Seminaren oder Kursen verbringen und dafür Nachweise abheften. - 5. Machen Sie Ihre Leistungen sichtbar.
Wer heute über 40 ist, spricht häufig nicht offensiv über das, was er oder sie gut kann, sondern meint, die anderen würden schon von selbst merken, wie tüchtig man ist: Das ist allerdings ein Irrglaube. Ihr Chef wird zwar wahrscheinlich merken, wenn jemand immer wieder Fehler macht oder schlechte Ergebnisse abliefert. Aber solange bei Ihnen alles reibungslos läuft, hat er keinen besonderen Anlass, Sie positiv zu bemerken. Was Sie im Einzelnen leisten wird er nur erfahren, wenn Sie es ihm sagen. Und mal ehrlich: Warum sollten die Kollegen von sich aus einem Vorgesetzten erzählen, wie hervorragend Ihre Arbeit ist? - 6. Engagieren Sie sich.
Bringen Sie eigene Ideen ein. Übernehmen Sie freiwillig Aufgaben, deren Sinn und Notwendigkeit Sie erkennen. Sagen Sie nie Sätze wie „Das muss ich laut meinem Arbeitsvertrag nicht tun“ oder „Dafür bin ich nicht zuständig“. Bleiben Sie auch dann engagiert bei der Sache, wenn Sie sich über Ihren Chef wirklich geärgert haben. Wie unfähig und unmöglich er auch sein mag, lassen Sie sich von ihm auf keinen Fall in die passive Resignation treiben. Suchen Sie lieber in aller Ruhe eine neue Stelle und kündigen Sie anschließend fristgerecht und mit einem freundlichen Lächeln. - 7. Denken und handeln Sie im Sinne des Unternehmens.
Bedenken Sie bei allem, was Sie tun, welche Folgen es für Ihre Abteilung und für das Unternehmen hat. Tun Sie das, was nötig ist, um Ihre Arbeit gut zu machen, und machen Sie niemals nur „Dienst nach Vorschrift“. Sie haben es zwar nicht mehr nötig, täglich zwölf Stunden im Büro zu sein, nur damit Ihr Chef sieht, wie einsatzfreudig und fleißig Sie sind. Aber Sie sind selbstverständlich da, wenn Sie wirklich gebraucht werden. Auch mal abends und am Wochenende, auch dann, wenn Sie etwas anderes vorhaben oder schon müde sind. - 8. Arbeiten Sie konstruktiv mit Jüngeren zusammen.
Strecken Sie die Hand aus und gehen Sie auf die jungen Kollegen zu. Nicht gönnerhaft, nicht ängstlich, sondern weil Sie wissen, dass Sie es sich leisten können. Beweisen Sie, dass Sie dialogfähig sind, indem Sie ehrliches Interesse zeigen. Und erinnern Sie sich ab und zu daran, wie blöd es war, als Sie jung und voller Ideen waren und die Älteren immer nur sagten „Das kennen wir alles schon, das bringt doch nichts, du wirst schon sehen …“ - 9. Pflegen Sie die Kommunikation mit Ihren Vorgesetzten.
Halten Sie keine Informationen zurück, sondern sorgen Sie für Transparenz, für umfassende und rechtzeitige Information. Suchen Sie auch dann das Gespräch mit der Chefin, wenn Sie Wünsche und Anregungen haben, wenn Sie sich Sorgen über Ihre weitere Entwicklung machen oder wenn Sie sich für eine neue Aufgabe positionieren möchten. Wichtig ist der regelmäßige Kontakt und die offene (nicht naive!) Kommunikation, die Vertrauen und Partnerschaftlichkeit wachsen lässt. - 10. Akzeptieren Sie Arbeitslosigkeit nicht als Schicksal.
Registrieren Sie aufmerksam, was um Sie herum passiert. Verdrängen Sie nicht, wenn Entlassungen abzusehen sind, sondern strecken Sie schon vorher die Fühler aus. Es ist immer besser, sich aus einer Beschäftigung heraus zu bewerben als aus der Arbeitslosigkeit. Ihre Verhandlungsposition ist dann viel stärker. Wenn Sie dennoch arbeitslos werden, jammern Sie nicht, sondern werden Sie aktiv, qualifizieren Sie sich, bewerben Sie sich, präsentieren Sie sich. Solange Sie gute Arbeitsleistung zu bieten haben, ist Ihre Suche keineswegs aussichtslos. - "Ü40 und top im Job"
Barbara Kettl-Römer: "Ü40 und top im Job: So werden und bleiben Sie attraktiv für Ihren Arbeitgeber - oder für einen anderen". Linde Verlag, 2010. 176 Seiten. 16,30 Euro. ISBN 978-3-7093-0305-4.