E-Learning: Die Aufholjagd beginnt

04.09.2001
Von Dirk Schneckenberg
E-Learning, das Zukunftsfeld im Bildungssektor, steckt in Europa noch in den Kinderschuhen. Allerdings etablierten sich seit vergangenem Jahr erfolgversprechende EU-Projekte, deren Ziel es ist, jedem Bürger eine digitale Grundkompetenz zu vermitteln.

„Lernen, lernen und nochmals lernen“, heißt ein deutsches Sprichwort als Ratschlag für den persönlichen Erfolg. Schon Winston Churchill betonte mit seinem Statement „Ich persönlich bin jederzeit bereit, zu lernen“ die Notwendigkeit des ständigen Wissenserwerbs. Politiker aller Parteien beschwören in ihren Reden über die sogenannte Wissensgesellschaft die Formel des lebenslangen Lernens. Doug Donzelli, der Chief Executive Officer von Pensare, einem der grössten E-Learning Provider der USA, sagt eine radikale Technologisierung der menschlichen Lernerfahrung voraus: „E-Learning wird den Bildungsbereich derart revolutionieren wie das Flugzeug das Transportwesen.“

In den USA hat das E-Learning, die multimediale Aufbereitung und Distribution von Wissensinhalten auf Basis der Informations- und Kommunikationstechnologien, unwiderruflich seinen Siegeszug angetreten. Die technologische Entwicklung in Europa hinkt Nordamerika zeitlich hinterher – eine Tatsache, welche die amerikanischen Fachpresse dazu veranlasst, Europa als einen „Zauderer in Bezug auf IT und E-Learning“ zu bezeichnen.

Aber der müde hinterherhinkende Europäer muss sich angesichts des amerikanischen Technologievorspungs keine allzu großen Sorgen machen, denn die Alte Welt ist aufgewacht. Allen politischen Institutionen voran etabliert sich die Europäische Kommission als Vorreiter bei der Einführung von E-Learning in den europäischen Markt. Im vergangenen Jahr hat die Kommission eine Reihe von Projekten zur Förderung des Technology-Based Trainings initiiert und mit finanziellen Hilfen ausgestattet. Ziel der ambitionierten EU-Projekte ist es, jedem Bürger der Gemeinschaft eine digitale Grundkompetenz zu vermitteln. Die Europäische Union hat sich viel vorgenommen, um einen Paradigmenwechsel der öffentlichen Bildungspolitik zu erreichen.

Die europäischen Unternehmen müssen in Bezug auf die Informationstechnologie nicht überzeugt werden - die Personalleiter durchforsten den Stellenmarkt Woche für Woche nach IT-Spezialisten. Die Knappheit an Fachkräften wirkt sich wachstumshemmend auf die Organisations- und Produktionsprozesse der Unternehmen aus. Um den Defiziten der öffentlichen Bildungseinrichtungen entgegenzuwirken, etablieren immer mehr Unternehmen ihre firmeneigenen Aus- und Weiterbildungsprogramme. Die Angestellten werden in Corporate Universities für die sich stetig ändernden Anforderungen der Märkte geschult. Die Distribution des Wissens in internationalen Unternehmen erfolgt vor allem via Internet. Das benötigte IT-Wissen kann dank neuester Netztechnologie zentral in unternehmenseigene Intranetze eingespeist und global von den Mitarbeitern abgerufen werden. Aus der Perspektive des E-Learnings betrachtet, beginnt in Europa eine neue Entwicklungsphase der Informationsgesellschaft.

Die internationale E-Learning-Gemeinschaft spricht ihre eigene Sprache. Angesichts der wachsenden Zahl anglo-amerikanischer Fachtermini und Kürzel schlagen interessierte Begleiter der Diskussionen über TBT, CBT und WBT am besten die jeweilige Auflösung in einem Glossar nach. Empfehlenswert ist beispielsweise das online abrufbare E-Learning-Glossary der American Society for Training & Development. Es lohnt sich für alle Beteiligen des öffentlichen und privaten Bildungssektors, beim Thema E-Learning auf dem Laufenden zu bleiben. Noch steckt der europäische Markt für E-Learning in den Kinderschuhen. Doch dieser Markt wird voraussichtlich mit Netzgeschwindigkeit in Europa heranwachsen. Die Learning-Community ist sich jedenfalls bei der Bewertung der aktuellen Ereignisse im Bildungssektor einig: E-Learning ist red hot.