E-Government ist ein schwieriges Geschäft

09.10.2003
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Alexander Freimark wechselte 2009 von der Redaktion der Computerwoche in die Freiberuflichkeit. Er schreibt für Medien und Unternehmen, sein Auftragsschwerpunkt liegt im Corporate Publishing. Dabei stehen technologische Innovationen im Fokus, aber auch der Wandel von Organisationen, Märkten und Menschen.

Die zweite große Baustelle der Behörden ist der Umstieg vom kameralistischen zum kaufmännischen Rechnungswesen. "Mit der Kameralistik können Sie keine Controlling-Programme füttern", beschreibt PAC-Beraterin Reichhart das Dilemma. Doch Finanzprogramme sind in Zeiten leerer Kassen zunehmend auch in Ämtern gefragt. Da sich die Einnahmen der öffentlichen Hand nicht beliebig steigern lassen, bleibt den Behörden nur die Möglichkeit, ihre Kosten zu kontrollieren. "Die Umstellung kommt jetzt in Gang", sagt Bitkom-Experte Rittershaus, der hier einen "lukrativen Markt" für Softwareanbieter und Berater erwartet.

Drittens geht es nach dem teilweise bewältigten elektronischen Anschluss der Bürger an das Amt nun um die technische Integration der Unternehmens- und Behörden-IT. Tritt der Bürger statistisch gesehen weniger als zweimal pro Jahr mit seiner Verwaltung in Kontakt, sind Firmen regelmäßige "Kunden" der Ämter. Es sei nur sinnvoll, einen Verwaltungsprozess elektronisch abzubilden, wenn auch ein entsprechendes Mengengerüst dahinter steht, argumentiert Rittershaus: "Unternehmen haben große Fallzahlen, das sorgt für große Hebel."

CGEY-Manager Meyer sieht das ähnlich. Dass die Bürger, die ja auch Wähler sind, zuerst an ihre Kommune angebunden wurden, sei nachvollziehbar. Doch das geschah zu Zeiten des Booms, und inzwischen schielt jeder Amtmann auf das Geld: "Die eigentlichen Einsparungen werden nur innerhalb der Verwaltung und zwischen der Verwaltung und den Unternehmen erzielt", argumentiert Meyer.

Illusionen, dass sich der "Kunde Staat" angesichts des Handlungsbedarfs leicht umgarnen lässt, gibt sich indes kaum noch ein Anbieter hin. "Die Investitionszyklen und Zeitspannen sind wesentlich länger als in der Industrie", berichtet Bitkom-Mann Rittershaus. Auch müssten die IT-Hersteller lernen, auf lange Sicht Verbindungen zu knüpfen, und damit beginnen, die Entscheidungsprozesse in der öffentlichen Hand zu verstehen. Der Vorteil der langwierigen Abläufe liegt laut Rittershaus nämlich auf der Hand: "Behörden sind nachhaltige Kunden." Das strategische Motto der IT-Lieferanten lautet somit "Langsam, aber sicher".

Ein Punkt muss den Anbietern aber klar sein: "Das Schlagwort E-Government ist tot und sollte in keiner Präsentation mehr auftauchen", warnt CGEY-Manager Meyer. Nach dem Hype des letzten Jahres ist wieder etwas Ruhe in die Szene eingekehrt. Somit vollzieht sich beim E-Government eine ähnliche Entwicklung, wie sie vor Jahren den einstigen Hype E-Business kennzeichnete: Nach einem steilen Aufstieg in den Medien folgte der Fall - nicht in die Bedeutungslosigkeit, sondern in die Implementierung "echter" Projekte. Irgendwann, so viel scheint sicher, spricht niemand mehr von E-Government - wie heute niemand mehr mit dem Begriff E-Business hausieren geht.