DocMorris: IT ist der Schlüssel zum Geschäft

10.09.2003
Von 
Karin Quack arbeitet als freie Autorin und Editorial Consultant vor allem zu IT-strategischen und Innovations-Themen. Zuvor war sie viele Jahre lang in leitender redaktioneller Position bei der COMPUTERWOCHE tätig.

Fehlende Normierung erschwert das Einlesen

Was auf den ersten Blick umständlich anmutet, ist unabdingbar für die Qualitätssicherung: Auf den unterschiedlichen Ebenen des Workflow wird die Bestellung immer wieder auf ihre Korrektheit überprüft. Im ersten Schritt vergleicht ein Sachbearbeiter die eingescannten und im Order-Management abgelegten Bestelldaten sorgfältig mit dem physischen Dokument. Dummerweise ist das für die Medikamente und die Dosierung vorgesehene Feld der ärztlichen Verordnungen nicht normiert, klagt Däinghaus; zudem werde die siebenstellige Pharma-Zentral-Nummer (PZN) keineswegs immer angegeben. Dieser Mangel falle um so mehr ins Gewicht, als die Verordnung auf dem Weg vom Arzt über die Apotheke bis zur Kasse dreimal zwischen analoger und digitaler Form wechsle.

Die Bestellungen werden per OCR-Software gescannt, die Images parallel zu den Daten mitgeführt.
Die Bestellungen werden per OCR-Software gescannt, die Images parallel zu den Daten mitgeführt.

Zumindest die Übertragung vom Originalrezept in das eigene Order-Management-System ist mittlerweile automatisiert. Hierfür hat DocMorris vom Dienstleistungspartner B & L eine Softwarekomponente entwickeln lassen, die das weitgehend fehlerfreie Einlesen ermöglicht. Trotzdem kommt es häufig vor, dass beispielsweise die empfohlene Packungsgröße falsch bestimmt wird. Deshalb ist die menschliche Kontrolle derzeit noch unverzichtbar.

Im Rahmen dieses Vergleichs zapft der DocMorris-Mitarbeiter zudem das mit Formstar verknüpfte Warenwirtschaftssystem an, um aus der Medikamenten-Datenbank die verordneten Präparate herauszusuchen, ihre Verfügbarkeit zu prüfen und den exakten Lagerplatz zu ermitteln. Die von Navision stammende Software bildet quasi das Herz der IT-Umgebung. Alle Daten werden hier zentral gespeichert und an die Subsysteme repliziert. Die sieben Mitarbeiter zählende IT-Abteilung ist zum größten Teil mit Betrieb, Pflege und Support dieses Systems beschäftigt.

Zu den wichtigsten Aufgaben des IT-Teams gehört es derzeit, die proprietäre Datenbank des Warenwirtschaftssytems durch den SQL Server von Microsoft zu ersetzen und die vorhandenen Daten zu migrieren. Dass sie das mit überschaubarem Aufwand leisten kann, trägt zur Wertschätzung bei, die Däinghaus der Navision-Software entgegenbringt: Er sei "super zufrieden" mit dem System, bestätigt er - vor allem aufgrund der Skalierbarkeit.

Ist die Bestellung korrekt erfasst und das jeweilige Medikament identifiziert, werden Klarsichthülle und elektronischer Bestellvorgang an ein siebenköpfiges Team von pharmazeutischen Experten weitergeleitet. Sie prüfen die Verordnung auf fachliche Plausibilität und eventuelle Kontraindikationen im Zusammenhang mit gleichzeitig bestellten Präparaten. Dazu ziehen sie auch die Bestellungen zu Rate, die der jeweilige Käufer während der vergangenen zwei Monate eingesandt hat. Diese sind in einer 180000 Adressen umfassenden und ebenfalls in das Navision-System integrierten Kundendatenbank gespeichert.

Flächendeckende Suche nach Problemfällen

Aufgrund des hohen Stammkundenanteils und der elektronischen Erfassung jeder Bestellung kann DocMorris also, anders als der Apotheker um die Ecke, gezielt und flächendeckend nach etwaigen Problemfällen fahnden. Dazu gehören unsinnige Wirkstoffkombinationen und gefährliche Wechselwirkungen, die dank einer zugekauften Standarddatenbank ohne großen Aufwand - und unabhängig von der Tagesform der Apotheker - ermittelbar sind.

Auch die drohende Überdosierung eines extrem häufig bestellten Medikaments oder die Doppelverordnung eines bestimmten Wirkstoffs durch unterschiedliche Ärzte fallen hier ins Auge. Letztere kommt laut Däinghaus häufiger vor, als man denkt. Zehn bis 15 Prozent der Patienten liefen zumindest einmal in ihrem Leben Gefahr, zuviel des Guten zu tun, was - nebenbei bemerkt - für die Krankenkassen einen überflüssigen Finanzaufwand in Milliardenhöhe nach sich ziehe.

Das Lager des Arzniemittelversands hält 60.000 Artikel bereit.
Das Lager des Arzniemittelversands hält 60.000 Artikel bereit.

Mit Hilfe der verfügbaren Informationen ist DocMorris auch in der Lage, jedem Kunden viermal im Jahr eine Übersicht über alle von ihm bestellten Präparate zu erstellen - sortiert nach Krankheitsbildern. "Mit unserem Medikamenten-Report distanzieren wir uns von den Vor-Ort-Apotheken," wirft sich Däinghaus in die Brust. Der Apotheker um die Ecke habe zumeist noch nicht einmal ein Warenwirtschaftssystem - geschweige denn eine Kundendatenbank.

Selbstverständlich können auch die DocMorris-Experten nur die ihnen vorliegenden Bestellungen auswerten. "Je mehr der Kunde bei uns kauft, desto besser funktioniert es," räumt Däinghaus ein. Außerdem wird sich der Pharmaversender hüten, die Patienten zu bevormunden oder deren Arzt zu kritisieren. In unkritischen Fällen bedient er den Besteller, eventuell nach telefonischer Rückfrage, liefert aber zwei warnende Briefe mit - einen an den Kunden selbst und einen an den verordnenden Arzt adressiert. Besteht Gefahr für das Leben des Patienten, behält sich DocMorris vor, eine Bestellung nicht auszuführen.

Däinghaus ist sich bewusst, dass er mit dieser Art von Service unter Umständen in einen Konflikt zwischen Verantwortungsbewusstsein und Datenschutzbestimmungen gerät. Aber bevor er sich der unterlassenen Hilfeleistung schuldig mache, "pfeife" er lieber auf den Datenschutz. Für Fragen und Beschwerden der Klientel, aber auch für Erstkontakte von Neukunden zeichnen rund 20 Betreuer verantwortlich. Sie nutzen ein Customer-Relationship-System, das die DocMorris-Informatiker auf der Basis von Lotus Notes selbst gestrickt haben. Wie Däinghaus erläutert, hat es sich peu   peu aus dem E-Mail-System heraus entwickelt.