DocMorris: IT ist der Schlüssel zum Geschäft

10.09.2003
Von 
Karin Quack arbeitet als freie Autorin und Editorial Consultant vor allem zu IT-strategischen und Innovations-Themen. Zuvor war sie viele Jahre lang in leitender redaktioneller Position bei der COMPUTERWOCHE tätig.
MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Wer seine Medikamente bei Doc Morris bestellt, zahlt weniger und bekommt mehr: Wegen des hohen Stammkundenanteils und dank ihres IT-Know-hows kann die Versandapotheke aus dem niederländischen Landgraaf zusätzlichen Service offerieren - und liefert damit ein gutes Beispiel für eine Geschäftsidee, die aus der IT erwachsen ist.
Ralf Däinghaus, Gründer von 0800DocMorris.com. Fotos: qua
Ralf Däinghaus, Gründer von 0800DocMorris.com. Fotos: qua

"Wir sind keine Internet-Apotheke", betont das Management von 0800DocMorris.com. Eigenen Angaben zufolge erhält der vor drei Jahren gegründete Arzneimittelvertrieb nur noch jede fünfte Bestellungen online. Der größte Teil stammt mittlerweile von Stammkunden, die ihre Orders mit der gelben Post einsenden. Dieser Weg empfiehlt sich schon deshalb, weil DocMorris rezeptpflichtige Medikamente selbstverständlich nur gegen Vorlage der ärztlichen Verordnung herausrückt.

DocMorris möchte in erster Linie eine ganz normale Apotheke sein - mit einigen signifikanten Unterschieden: Da wäre zunächst der um fünf bis zehn Prozent günstigeren Preis, den der Pharmaversand vor allem durch Skaleneffekte, aber auch durch Einkauf im Ausland erzielt. Weil der deutsche Gesetzgeber keine Preisnachlässe auf Medikamente gestattet, hat sich der Discount-Versender in einem Industriegebiet nahe der niederländischen Stadt Kerkrade angesiedelt; die deutsche Grenze ist aber keine zehn Autominuten entfernt. Weil streng genommen auch der Arzneimittelversand nach Deutschland untersagt ist, greift das Unternehmen zu einem juristischen Taschenspieler-Trick: Es stellt die Lieferungen lediglich zur Abholung bereit, vermittelt aber auf Wunsch den Transport und übernimmt sogar die Kosten dafür.

Ins Leben gerufen wurde DocMorris von dem heute 36 Jahre alten Informatiker Ralf Däinghaus, der nach wie vor als Chief Executive Officer fungiert. Gemeinsam mit dem niederländischen Apotheker Jack Waterval gründete er das Unternehmen im Jahr 2000 auf dem Höhepunkt des E-Commerce-Booms. Anfangs spezialisierte sich das Startup auf Präparate, deren Vertrieb eine gewisse Diskretion verlangte, beispielsweise empfängnisverhütende oder potenzstärkende Medikamente. Der Kundenkreis beschränkte sich weitgehend auf die traditionell Internet-affinen Zielgruppen.

Das hat sich radikal geändert: Irgendwann entdeckten die gesetzlichen Krankenkassen, dass DocMorris einen Beitrag zur Kostensenkung im Gesundheitswesen leisten kann. Deshalb erlassen sie den Versicherten, die ihre Arzneimittel dort bestellen, die obligatorische Zuzahlung. Wie Däinghaus versichert, kooperieren etwa 480 Krankenkassen auf diese Weise mit seinem Unternehmen. So kommt es, dass die Hälfte der DocMorris-Kunden mittlerweile über 50 Jahre alt ist. Zur Klientel zählen nun viele chronisch Kranke, aber vergleichsweise wenig Power-User. Aus den zunächst 350 Präparaten wurde inzwischen ein Vollsortiment mit 60000 Artikeln. Unter dem Druck von 160 Mitarbeitern platzt der schmucklose Flachbau in Landgraaf mittlerweile aus allen Nähten, so dass zunächst die Marketing-Abteilung in einen Anbau umziehen muss.

Extrem aufwändige Ausstattung

Der Umsatz entwickelte sich ebenfalls rasant: Nach fünf Millionen Euro in 2001 stieg er 2002 auf 22 Millionen. Für das laufende Jahr erwartet Däinghaus Einnahmen in Höhe von 45 Millionen Euro. Bei einem deutschen Gesamtmarktvolumen von 33 Milliarden Euro sind das sicher Peanuts, aber sie reichen aus, um den Deutschen Apothekerverband auf die Barrikaden zu treiben. Zähneknirschend muss sich der DocMorris-CEO damit abfinden, dass er immer wieder in gerichtliche Auseinandersetzungen hineingezogen wird.

Unter dem Strich der DocMorris-Bilanz leuchten derzeit noch rote Zahlen. Einer der Gründe dafür dürfte in der extrem aufwändigen IT-Ausstattung liegen. Im Gegensatz zu den mehr als 20000 Einzelapotheken in Deutschland hat das DocMorris-Management sein Geschäft ganz bewusst auf der Informationstechnik aufgebaut.

Das spiegelt sich schon in den Abläufen wieder. Vergleichsweise wenig Arbeit machen Bestellungen von frei verkäuflichen Präparaten, die über das Web eintreffen - zumal DocMorris den Betrieb der Internet-Plattform an den Dienstleister NTT/Verio ausgelagert hat. Die auf dem Postweg eingegangenen Orders und die zugehörigen Rezepte hingegen werden zunächst mit Hilfe einer OCR-Software digitalisiert. Dazu nutzt DocMorris eine Belegerfassungs-Lösung auf Basis der Software "Formstar" von TCG Informatik AG. Verwirklicht hat das System die B & L OCR Systeme GmbH mit Sitz in Eschborn. Die Daten und das elektronische Abbild des Rezepts werden anschließend durch das gesamte Order-Management mitgeführt - parallel zu den konventionell in eine Klarsichthüllge gepackten Originaldokumenten.