Dienstleistung als Produkt begreifen

29.04.2003
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Joachim Hackmann ist Principal Consultant bei PAC – a teknowlogy Group company in München. Vorher war er viele Jahre lang als leitender Redakteur und Chefreporter bei der COMPUTERWOCHE tätig.

„Es gab dermaßen viele Kundenanfragen, dass die Anbieter sich nicht die Mühe machten, durchgängige Strukturen aufzubauen. Vieles wurde ad hoc erledigt, ohne Prozesse zu definieren“, schildert Thomas Meiren, Leiter Dienstleistungs-Management beim Fraunhofer IAO, die damalige Situation. Die Erhebung der Meta Group bestätigt, dass die Anbieter von Professional Services in den Boomjahren um die Jahrtausendwende voll und ganz damit beschäftigt waren, Kundenaufträge abzuarbeiten: Auslastungsquoten von 115 Prozent im Jahr 1999 und 108 Prozent im darauf folgenden Jahr wurden erzielt, weil im Dienste des Kunden Urlaubs-, Wochenend- und für Fortbildung eingeplante Tage für Projektarbeiten verbucht wurden.

Die vollen Auftragsbücher waren jedoch nicht alleiniger Grund für die Versäumnisse der Vergangenheit. „Die Servicehäuser haben sich noch nicht mit dem Gedanken angefreundet, Dienstleistung als Produkt zu betrachten. Bislang verkaufen sie nur Kompetenzen“, entlarvt Peter Dück, Vice President IT-Services und Research Director bei Gartner, einen konzeptionellen Fehler. So positionierten sich beispielsweise Anbieter, die Rechenzentren betreiben können, schlicht als Outsourcer. Die Frage aber, ob Anwender mit diesem Service auch täglich Geschäftsprobleme lösen können, wird laut Dück zunächst nicht beantwortet.

Von der Idee zum Produkt

Dieser Mangel rührt daher, dass bislang kaum Zielgruppenforschung betrieben wurde, um die Probleme der Kunden erfassen und ihnen passende Komplettlösungen anbieten zu können. Aus den Ergebnissen einer Kundenbefragung ließe sich beispielsweise ein Komplettservice entwickeln, der neben IT-spezifischen Beratungs-, Implementierungs- und Betriebsdiensten auch IT-fremde Angebote wie Finanzierungsmodelle und Logistikservices umfasst. Derartige Offerten seien auch keineswegs eine exklusive Domäne für die großen IT-Dienstleister der Branche, denn das Gesamtpaket ließe sich aus vorkonfigurierten Modulen zusammenstellen, die Partnerunternehmen zuliefern, so Dück. „Viele Teile des Endprodukts müssen die Anbieter in eine Art Vorfertigung geben“, erläutert der Gartner-Experte.

Dieses Vorgehen wäre ein kompletter Bruch mit dem derzeit üblichen Verfahren, wo die Neuentwicklung bei Dienstleistern meistens aus Projektarbeiten mit Pilotkunden erfolgt. Aus Erkenntnissen dieser Vorhaben versuchen die Anbieter dann, Wiederholungseffekte zu erzielen. So habe sich bei den Anbietern in der Vergangenheit allmählich so etwas Ähnliches wie ein Dienstleistungsportfolio entwickelt, erläutert Dück den Innovationsmechanismus der Szene. Eine in die Zukunft gerichtete Produktentwicklung gab es bislang jedoch kaum.

Der jüngste Zuspruch zu Workshop und Umfrage des Fraunhofer-Instituts zeigt, dass die Anbieter mittlerweile aktiv nach geeigneten Methoden suchen, das im eigenen Unternehmen vorhandene Wissen so umzusetzen, dass es Einnahmen erbringt. „Ideen waren und sind immer da. In den Unternehmen besteht jedoch ein Defizit, dieses Potenzial in marktreife Dienstleistungen zu überführen“, identifiziert Meiren den entscheidenden Schwachpunkt. In dem Leitfaden für die Entwicklung von Dienstleistungen liefert das Fraunhofer IAO ein Rahmenkonzept, das dabei helfen soll (Thomas Meiren, Tilmann Barth: „Service Engineering in Unternehmen umsetzen“, www.iao.fraunhofer.de/d/shop).