Die Linux-Welt wird unüberschaubar

25.08.2006
Von 
Ludger Schmitz war freiberuflicher IT-Journalist in Kelheim. Er ist spezialisiert auf Open Source und neue Open-Initiativen.

Topthema für Entwickler

Nach einer Erhebung von Evans Data unter 400 US-amerikanischen Entwicklern sollen 2007 erstmals mehr Programmierer für Linux- als für Windows-Umgebungen arbeiten. US-amerikanische Anwender holen in Sachen Linux ihren Rückstand im Vergleich zur Situation in Deutschland schnell auf. Diese Entwicklung geht einher mit dem Trend zur Virtualisierung - und diese wurde zum Topthema der Linuxworld. Kein Wunder, denn etliche Aspekte im Kontext der Virtualisierung sind ungeklärt und liefern Stoff für Diskussionen.

So sind bei vielen Applikationen in virtuellen Umgebungen die notwendigen Lizenzen unbekannt. Immerhin bezieht Novell die Lizenzkosten auf die physikalischen Server, unabhängig von der Zahl der Linux-Instanzen auf ihnen. Microsoft hat Ähnliches für "Longhorn" angekündigt, die Frage ist nur, wie viel es kosten wird.

Die Party kann beginnen

Linux-Handy von Trolltech, vorgestellt auf Linuxworld San Francisco.
Linux-Handy von Trolltech, vorgestellt auf Linuxworld San Francisco.

Novell machte die Linuxworld zur Produkt-Launch-Party für die kurz zuvor freigegebenen Versionen 10 des Suse Linux Enterprise Server und seiner Desktop-Variante. Das Unternehmen versäumte es nicht, zu betonen, dass beide Betriebssysteme den Virtualisierungs-Hypervisor Xen enthalten. Obschon - zum Missfallen etlicher Messebesucher - nicht bei der Linuxworld anwesend, versuchte Red Hat in die Suppe zu spucken: Novell handle unverantwortlich, weil Xen noch nicht ausgereift sei und Anwender frustrieren könnte. Da spielte wohl eher Ärger auf Seiten des Konkurrenten eine Rolle, der Xen frühestens zum Ende dieses Jahres in das dann kommende Red Hat Enterprise Linux 5 integrieren kann. Außerdem haben die roten Hüte Xen noch im März dieses Jahres für ein ausgereiftes Produkt erklärt.

Es gibt allerdings ernster zu nehmende Kritik. Der leitende Analyst Al Gillen von IDC moniert, es mangle an geeigneten Tools für das Management der vielen und unterschiedlichen Betriebssysteme in virtuellen Umgebungen. "Tools für virtuelle Umgebungen fehlen", kritisiert auch Judy Chavis, Direktorin für Business Development bei Dell, "aber man muss daran erinnern, dass Virtualisierung eine neue Technik ist."

Mit dem Trend entstehe ein großer Markt, der Platz für viele Anbieter habe. Die Anwender würden sich vermutlich nicht nur für eine Lösung, zum Beispiel eine von VMware, entscheiden, sondern auch noch mit Alternativen wie Xen oder Virtuozzo arbeiten. Novell und der Virtualisierungsspezialist SWsoft kündigten Tools für die Integration verschiedener Virtualisierungstechniken an.

Standards sind gefragt

Die Verschiedenartigkeit der Virtualisierungslösungen führt zur Kritik, Xensource und VMware, die wichtigsten Linux-Virtualisierungsfirmen, würden nicht über einen Interface-Standard reden, um die Umgebungen interoperabel zu halten. Diese Forderung erhebt insbesondere das Linux-Kernel-Team, das nicht einfach Xen-Technik in den Betriebssystem-Kern integrieren möchte, sondern ein neutrales Interface für Virtualisierungslösungen favorisiert.