Offshoring in Deutschland

Die Inder sind da

06.09.2010
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Joachim Hackmann ist Principal Consultant bei PAC – a teknowlogy Group company in München. Vorher war er viele Jahre lang als leitender Redakteur und Chefreporter bei der COMPUTERWOCHE tätig.

Warum Anwender offshore auslagern

Foto: Torsten Gründer

Es sind vor allem die niedrigen Kosten, die die Nachfrage nach Leistungen aus Niedriglohnländern attraktiv machen. Das hat sich besonders in den vergangenen Jahren gezeigt, als die gesamte deutsche Wirtschaft einbrach und die IT-Abteilungen den Gürtel deutlich enger schnallen mussten. "Kosten können Kunden im laufenden Betrieb sparen, indem sie die Service-Level-Agreements reduzieren oder die Deal-Struktur ändern. Wenn sie Letzteres tun, bedeutet das meistens mehr Offshoring- und weniger Onsite-Komponenten", erklärt Frank Ridder, Vice President bei Gartner. "Spätestens an diesem Punkt kommen die indischen Provider ins Spiel. Dadurch hat sich das Interesse an Offshoring im vergangenen Jahr enorm gesteigert."

Selbst Unternehmen, die ihre internen Abläufe schon verbessert haben, sind für die Dienste der externen Anbieter empfänglich - berichtet Holger Reimers, der als Vice President des indischen BPO-Anbieters Genpact die Geschäfte in Deutschland verantwortet: "95 Prozent der Dax-Unternehmen betreiben ihre internen Dienste bereits als Shared Service Center. Diese Einrichtungen können sie nur mittels Offshoring auf die nächste Effizienzstufe hieven. Wollen sie das Center selbst beispielsweise nach Indien verlagern, müssen sie den gesamten aufwendigen Veränderungsprozess, den sie mit dem Aufbau durchlaufen haben, erneut starten. Was liegt näher, als einen Spezialisten ins Boot zu holen." Dabei positioniert sich Genpact als Ergänzung zu den internen Shared Service Centern.

Doch eigentlich möchten die indischen Provider das Image des billigen Anbieters ablegen, sie sehen sich lieber als Vermittler hochqualifizierter Experten. Infosys behauptet beispielsweise, nur die besten zwei Prozent aller Universitätsabsolventen zu rekrutieren. Sie werden für 16 Wochen an der eigenen Hochschule im indischen Mysore auf den Job vorbereitet. Den rund 10.000 Infosys-Studenten stehen etwa 500 Professoren zur Seite.

"Diese Studenten geben sich nicht mit der Rolle an der verlängerten Werkbank zufrieden. Sie wollen Lösungen und Prozesse verändern und verbessern. Dort entstehen Ideen, die sich deutsche Unternehmen zu eigen machen sollten, wenn sie im globalisierten Markt konkurrenzfähig bleiben wollen", empfiehlt Schürmann. Für die IT bedeutet dies beispielsweise, dass sie vorgefertigte Methoden und Modelle der Offshore-Anbieter übernimmt und so die eigenen Abläufe industrialisiert.

Auch die Diskussion über den Fachkräftemangel in Deutschland spielt den Providern in die Hände, denn sie können im großen Stil Experten zur Verfügung stellen, nach denen hiesige Anwender händeringend suchen. "Der Markt für technische Berufe hat in Deutschland die Vollbeschäftigung erreicht. Das ist der größte Treiber für das Offshoring", meint Rohan Joshi, Geschäftsführer von L&T Infotech in Deutschland. Der Anbieter versorgt vornehmlich mittelständische Fertiger mit Engineering-Services.