Offshoring in Deutschland

Die Inder sind da

06.09.2010
Von 


Joachim Hackmann ist Principal Consultant bei PAC – a teknowlogy Group company in München. Vorher war er viele Jahre lang als leitender Redakteur und Chefreporter bei der COMPUTERWOCHE tätig.

Die Offshoring-Probleme

Quelle: Torsten Gründer
Quelle: Torsten Gründer

Dennoch wird das Offshoring-Business in Deutschland kein Selbstläufer. Schon früherer haben die Inder versucht, vom Ausland aus das hiesige Geschäft anzukurbeln - mit bescheidenem Erfolg. Die Geschichte der indischen Anbieter in Deutschland ist geprägt von wechselnden Geschäftsführern und Ansprechpartnern, Missverständnissen, kulturellen Unterschieden, ausufernden Projekten und unzufriedenen Kunden.

"Wir hatten Budget-Überschreitungen im siebenstelligen Bereich", schimpft ein Anwender, der nicht genannt werden möchte. "Die Inder haben wochenlang gearbeitet und Kosten produziert, aber nicht das Ergebnis abgeliefert, das wir erwartet haben." Die Geschäftsbeziehung zu beenden kam nicht in Frage, weil das Topmanagement auf Offshoring beharrte. Angesichts dieser schlechten Erfahrung hat sich die IT-Abteilung in den Folgeprojekten entschlossen, die indischen Kollegen durch eigene Mitarbeiter eng zu führen. Dadurch stiegen zwar die internen Kosten, doch die externe Rechnung fiel erfreulich gering aus, so dass das Management das Projekt als Erfolg wertete.

Auch die Sprache erwies sich als Problem, und zwar nicht in der Kommunikation zwischen den Geschäftspartnern, sondern in der Dokumentation. Aufgabe des indischen Anbieters war die Überarbeitung einer alten Software. Die Erläuterungen im Softwarecode hatten die früheren Programmierer in Deutsch verfasst. Damit konnten die indischen Experten wiederum nicht arbeiten, so dass die IT-Abteilung eigene IT-Kräfte für die Übersetzung abstellen musste. Das missfiel den internen Mitarbeitern, sie empfanden die externen Spezialisten als zusätzliche Belastung.

Als Kernproblem erwiesen sich jedoch die kulturellen Unterschiede. Womit die Deutschen schwer zurechtkamen, war die strenge Hierarchie in Indien. An den Diskussionen in Projekt-Meetings beteiligten sich ausschließlich die Projektleiter. Die ebenfalls anwesenden Spezialisten hätten mit ihrem technischen und fachlichen Know-how Unklarheiten beseitigen können. Doch sie schwiegen. Die Auswirkungen waren gravierend: "Der indische Partner hatte nicht verstanden, was wir von ihm wollten, und konnte dadurch den Aufwand nicht abschätzen", berichtet der Anwender. Der genaue Blick auf je ein Angebot eines indischen und eines deutschen Providers zeigte, dass die Inder im Vergleich zu den Deutschen mit mehr als dem vierfachen Aufwand kalkuliert hatten. Nur wegen der niedrigen Personalkosten fiel das indische Angebot dennoch um rund zehn Prozent günstiger aus.

Heikel war zudem jegliche Art von Kritik. Probleme direkt und unverblümt anzusprechen, widerspricht dem indischen Höflichkeitsempfinden. Die Kritisierten stellten - so die Erfahrung des Anwenders - die Arbeiten ein oder boykottierten sie. Grundsätzlich hielten sich die indischen Spezialisten damit zurück, Schwierigkeiten im Projekt zu melden. Die Fehler mussten später unter Zeitdruck behoben werden. "Die indischen Kollegen sind sehr gut ausgebildet. Dennoch ist die Zusammenarbeit in komplexen Projekten schwierig, weil sie sehr eng geführt werden müssen. Die dadurch anfallenden internen Kosten machen den Business Case nahezu unkalkulierbar", resümiert der Anwender. Offshoring sei vor allem für wiederkehrende, standardisierte und einfache Arbeiten gut geeignet.