Die EAI-Karten werden neu gemischt

13.02.2002
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Alexander Freimark wechselte 2009 von der Redaktion der Computerwoche in die Freiberuflichkeit. Er schreibt für Medien und Unternehmen, sein Auftragsschwerpunkt liegt im Corporate Publishing. Dabei stehen technologische Innovationen im Fokus, aber auch der Wandel von Organisationen, Märkten und Menschen.

Andererseits hinkt der Bedarf an EAI-Lösungen den Prognosen hinterher, weil der Markt nach Ansicht der Analysten noch nicht ausgereift ist. Es bieten einfach zu viele Softwerker unterschiedliche Lösungskonzepte an, als dass Anwender in diesem Schlagwortdschungel noch den Durchblick behalten könnten. Dafür spricht auch die Tatsache, dass die sechs größten Anbieter laut Meta Group weniger als 40 Prozent des Marktvolumens umsetzen. Zudem findet sich kaum ein zweites Softwaresegment mit ähnlich kurzen Lebenszyklen der Programme. In dieser „Verunsicherung“, so Meta, spiegelt sich die abwartende Haltung vieler IT-Entscheider wider.

Durch die aktuelle Konvergenz von Applikations- und Integrations-Servern zu einem kompletten EAI-Portfolio kommt es jedoch zwangsläufig zu funktionalen Überlappungen. Daher erwartet die Meta Group einen „hohen Preisdruck“ auf die einschlägigen Anbieter in beiden Lagern. Wer diese Phase übersteht, wird EAI-Marktführer sein, orakeln die Analysten wenig überraschend. Zudem würden sich fünf bis sechs spezialisierte Lieferanten herausstellen, die sich in bestimmten horizontalen oder vertikalen Nischen an die Spitze setzen.

In diesem Plan wollen auch die traditionellen EAI-Anbieter wie Seebeyond, Webmethods, Vitria und Tibco mitmischen. Gerade letztere Firma gehört schon seit rund 15 Jahren zu den Pionieren auf dem Gebiet der Integration. Unter dem Namen Teknekron Software Systems vernetzte die Company damals die Handelsplätze der New Yorker Börse - gefragt waren stabile Echtzeitverbindungen. Danach übernahm der Medienkonzern Reuters das Unternehmen und hält bis heute 57 Prozent der Anteile.

Verglichen mit den anderen klassischen EAI-Anbietern verfügt Tibco auch international über eine starke Position. Im vergangenen Geschäftsjahr nahm das Unternehmen mit inzwischen 1400 Kunden knapp 320 Millionen Dollar ein. Dahinter rangieren Vitria (Umsatz im vergangenen Geschäftsjahr: 135 Millionen Dollar), Seebeyond (187 Millionen Dollar) und Webmethods, die das Geschäftsjahr Ende März vermutlich mit einem ähnlichen Umsatzvolumen abschließen werden.

Fred Meyer, Tibco: Der Chief Strategy Officer des EAI-Anbieters verspricht sich viel von den kommenden Web-Services und will diese "aggressiv" unterstützen.
Fred Meyer, Tibco: Der Chief Strategy Officer des EAI-Anbieters verspricht sich viel von den kommenden Web-Services und will diese "aggressiv" unterstützen.

Wegen seiner tiefen Verwurzelung in diesem Markt und dem Umsatzvorsprung gegenüber der Konkurrenz gibt sich Tibco optimistisch, für die Zukunft gerüstet zu sein. Der Fokus des Unternehmens liege jetzt darauf, die in den letzten Jahren entwickelten Komponenten zu einer Lösung zusammenzuführen, meint Fred Meyer, Chief Strategy Officer des Unternehmens. Grundlage des Integrationskonzepts bildet der traditionelle Software-Bus (Tibco = The Information Bus Company), ferner wurden zusätzliche grafische Tools und Management-Werkzeuge entwickelt oder zugekauft.

Von den direkten Wettbewerbern Vitria, Webmethods und Seebeyond erwartet Meyer nur wenig Konkurrenz, Tibco-intern werden die Firmen gerne auch als „die drei Zwerge“ bezeichnet. IBM hingegen sei als Wettbewerber ernst zu nehmen: „Wenn sie sich ganz auf unseren EAI-Markt konzentrieren würden, wäre ich besorgt“, so Tibcos Strategiechef. Für ihn stelle es sich aber momentan so dar, als wolle Big Blue erst das App-Server-Rennen gegen Bea gewinnen.

Zumindest an diesem Frontabschnitt will Tibco keinen Krieg riskieren, einen eigenen App-Server soll es laut Meyer nicht geben: Zwei Jahre habe man diskutiert, einen Anbieter zu übernehmen, dann den Plan letztlich aber aufgegeben. Die Mentalitäten der Entwickler seien zu unterschiedlich, zudem spreche man mit App-Servern und EAI-Lösungen unterschiedliche Positionen bei den Anwendern an - hier die Entwickler, dort die Business-Analysts. Um sich zudem einen App-Server und die für die Weiterentwicklung nötigen Ressourcen leisten zu können, brauche man schon die Größe einer IBM, spekuliert Meyer. Auch keiner der „drei Zwerge“ hat übrigens eine eigene Applikationsplattform im Portfolio.

Unterstützung im Kampf um die Kunden versprechen sich die klassischen EAI-Anbieter nun von den aufkommenden Web-Services, auch wenn dies auf den ersten Blick paradox klingt. Immerhin sollen sie den Austausch von Daten standardisieren und vereinfachen. Dennoch: „Die Voraussetzung für Web-Services ist EAI“, argumentiert der Münchner Berater Nußdorfer. Schließlich würden darüber die Geschäftsprozesse gesteuert. Natürlich steht es jedem Anwender frei, die Integration weiterhin manuell zu vollziehen.

Auch Tibco will nach Aussage seines Chief Strategy Officer Meyer die Web-Services „aggressiv“ unterstützen: „Bloß weil Schrauben und Muttern standardisiert sind, bedeutet dies nicht, dass jeder sein Auto selbst bauen kann.“ Dass dadurch allerdings ein Teil der Tibco-Arbeit zum Allgemeingut wird und dem Unternehmen nichts mehr einbringt, streitet Meyer nicht ab. Man könne sich somit auf Integrationsprobleme höherer Ebenen konzentrieren, die ohnehin mehr Umsatz versprechen.