Lernen durch Fakeforward

Deepfakes haben auch positive Seiten

09.10.2023
Von 


Manfred Bremmer beschäftigt sich mit (fast) allem, was in die Bereiche Mobile Computing und Communications hineinfällt. Bevorzugt nimmt er dabei mobile Lösungen, Betriebssysteme, Apps und Endgeräte unter die Lupe und überprüft sie auf ihre Business-Tauglichkeit. Bremmer interessiert sich für Gadgets aller Art und testet diese auch.
Einer aktuellen Studie zufolge gibt es neben Betrug und Diffamierung auch positive Anwendungsfälle für Deepfakes, etwa Trainingsvideos.
Eine Studie zeigt: Deepfakes können auch motivieren.
Eine Studie zeigt: Deepfakes können auch motivieren.
Foto: MDV Edwards - shutterstock.com

Deepfakes, also etwa Videos, in dem das Gesicht oder der Körper einer Person digital so verändert wurde, dass sie wie eine andere Person aussieht, besitzen nicht ohne Grund einen schlechten Ruf. Sie ermöglichen mit relativ einfachen Mitteln Desinformation und Diffamierung bis hin zur Verbreitung bösartiger pornografischer Inhalte.

Wie Informatiker an der britischen University of Bath herausgefunden haben, können die mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz gefälschten Inhalte aber auch einen Mehrwert bieten, etwa im Bereich Weiterbildung. In einer neuen Studie zeigen sie auf, dass man schneller, leichter und mit mehr Spaß lernt, wenn man sich ein Trainingsvideo mit einer Deepfake-Version von sich selbst anschaut - im Gegensatz zu einem Clip mit einer unbekannten Person. Belegt wurde dies mit Hilfe von zwei verschiedenen Experimenten rund um die Themen Fitness-Training und Freies Sprechen.

Für das Fitness-Experiment wurden die Teilnehmer der "Fakeforward"-Studie gebeten, sich ein Trainingsvideo anzusehen, in dem ein Deepfake ihres eigenen Gesichts über den Körper eines fortgeschrittenen Trainierenden gesetzt wurde. Die Forscherinnen und Forscher wählten dabei sechs Übungen aus (Planken, Kniebeugen, Wandhocken, Sit-ups, Hocksprünge und Liegestütze), die jeweils auf eine andere Muskelgruppe abzielten und unterschiedliche Bewegungsarten erforderten.

Fake it till you make it

Für jede Übung schauten sich die Studienteilnehmer zunächst ein Video an, in dem ein Model die Übung vorführte, und versuchten dann, die Übung selbst zu wiederholen. Das Model wurde so ausgewählt, dass es dem Probanden ähnelte und die Übungen besser als dieser, wenn auch für die Versuchspersonen erreichbar, meisterte. Anschließend wurde das ganze Procedere mit einem Deepfake-Trainer durchgeführt, bei dem das Gesicht des Teilnehmers auf den Körper eines Modells gelegt wurde.

Für beide Bedingungen maßen die Forscher die Anzahl der Wiederholungen oder die Zeit, die die Teilnehmer eine Übung "halten" konnten. Das Ergebnis: Die Teilnehmer schnitten im Vergleich bei allen Übungen besser ab, bei denen sie ein Video von sich selbst sahen - unabhängig von der Reihenfolge, in der die Videos angeschaut wurden.

"Deepfake war ein wirklich mächtiges Werkzeug", erklärt Dr. Christof Lutteroth, Informatik-Dozent und Co-Autor der Studie. "Die Leute konnten sofort mehr Liegestütze machen oder was auch immer von ihnen verlangt wurde. Die meisten gaben auch an, dass sie die Übung besser machten als ohne Deepfake und dass sie ihnen mehr Spaß machte."

Öffentliches Reden ohne Angst

Wie ein zweites Experiment der FakeForward-Studie ergab, kann Deepfake außerdem die Fähigkeiten einer Person als öffentlicher Redner deutlich verbessern. So wuchsen nach dem Ansehen eines Lernvideos, in dem das Gesicht eines geübten Redners durch das eines Teilnehmers ersetzt wurde, sowohl das Selbstvertrauen als auch die wahrgenommene Kompetenz beim Sprechen in der Öffentlichkeit. Viele Teilnehmer fühlten sich inspiriert und sagten Dinge wie: "Das gibt mir viel Kraft", "Das Deepfake-Video gibt mir das Gefühl, dass Sprechen gar nicht so beängstigend ist" und "Als ich mich selbst sah, wie ich da stand und sprach, war ich irgendwie stolz auf mich", heißt es in der Studie.

Dr. Lutteroth weist allerdings darauf hin, dass auch die von ihnen getestete Lernmethode Fakeforward ihre Tücken hat: "Genauso wie Deepfake genutzt werden kann, um 'gute' Aktivitäten zu verbessern, kann es auch missbraucht werden, um 'schlechte' Aktivitäten zu verstärken - zum Beispiel kann es Menschen lehren, rassistischer, sexistischer und grober zu sein. Wenn du dir zum Beispiel ein Video ansiehst, in dem du scheinbar schreckliche Dinge sagst, kann dich das mehr beeinflussen, als wenn du jemanden siehst, der diese Dinge sagt."