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Business Software muss sich rechnen

06.10.2010
Von 
Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.

Enterprise Resource Planning

Einer Umfrage der COMPUTERWOCHE vom Sommer dieses Jahres zufolge kümmern sich wieder drei Viertel aller CIOs mit hoher beziehungsweise sehr hoher Priorität um ihre ERP-Lösungen. Fast die Hälfte der Befragten sieht Modernisierungsbedarf in Sachen ERP. Angesichts des Alters vieler Installationen verwundert dies nicht. Rund die Hälfte der laufenden ERP-Lösungen hat bereits mehr als fünf Jahre auf dem Buckel, knapp ein Drittel ist sogar seit mehr als zehn Jahren im Einsatz.

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Nachdem sich die Konjunktur wieder im Aufschwung befindet, sind auch wieder Budgets für die ERP-Modernisierung da. Eine aktuelle Umfrage von Pierre Audoin Consultants (PAC) ergab, dass knapp 40 Prozent der 240 befragten IT-Entscheider aus Deutschland, Österreich und der Schweiz in diesem oder dem nächsten Jahr in ERP-Projekte investieren wollen.

"Die Kunden kaufen wieder", beobachtet auch Rüdiger Spies, Analyst von IDC. Nach dem Einbruch im Krisenjahr 2009 erhole sich der Markt jetzt wieder. Für die kommenden Jahre rechnet der Softwareexperte hierzulande mit Wachstumsraten von vier bis fünf Prozent. Die Ziele der Anwender seien klar darauf ausgerichtet, die eigene Verwaltung so weit wie möglich zu automatisieren. Darüber hinaus, so zeigt die CW-Umfrage, verlangen Unternehmen von den ERP-Systemen mehr Transparenz, eine einfachere Informationsgewinnung, eine verbesserte Prozessunterstützung sowie höhere Produktivität.

Bezüglich der aktuell eingesetzten ERP-Lösungen häufen sich die Klagen über zu starre und unflexible Systeme. "Angesichts der sich dramatisch verkürzenden Lebenszyklen von Geschäftsprozessen, Strategien und Geschäftsmodellen sind die heutigen ERP-Systeme nicht flexibel genug", moniert beispielsweise Frank Schönthaler, strategischer Beirat der Deutschen Oracle Anwendergruppe (Doag). Marco Lenck, Vorstandsmitglied der Deutschsprachigen SAP Anwendergruppe (DSAG) kritisiert die zunehmende Komplexität von ERP-Systemen und -Projekten sowie die nachlassende Produktqualität.

In den vergangenen Jahren waren die ERP-Innovationen nicht davon angetan, die Kunden zu begeistern. Beispielsweise hielten viele SAP-Anwender jahrelang an ihren alten R/3-Installationen fest, obwohl neuere Releases längst verfügbar waren. Zum Umstieg ließen sich die meisten nur durch finanzielle Anreize wie Rabatte bewegen oder durch Druck, indem SAP Wartungsfristen auslaufen ließ und mit höheren Wartungskosten drohte. Auch in der aktuellen ERP-6.0-Welt setzen sich viele Probleme fort: Zwar versprechen die Walldorfer ihren Kunden, keine komplizierten Upgrade-Projekte mehr zu verursachen und das eigene ERP-System im Rahmen von Enhancement Packages weiterzuentwickeln, die sich ohne großen Aufwand einspielen lassen sollen. Bis dato haben aber erst wenige Anwender auch nur ein einziges Erweiterungspaket installiert. Der Großteil der Kunden habe das Konzept nicht verstanden, mutmaßen Marktbeobachter.

SOA-Versprechen wurden nicht eingelöst

In den vergangenen Jahren hat sich ohnehin ein Kommunikationsloch zwischen ERP-Anbietern und Kunden aufgetan. Die Versprechen, im Rahmen von Service-orientierten Architekturen (SOA) flexiblere und einfacher integrierbare ERP-Systeme anzubieten, konnten die Anbieter bis dato nicht einlösen, kritisieren viele Softwareexperten. Zwar gibt es auf technischer Seite Fortschritte in Sachen Integration. Von der wesentlich wichtigeren inhaltlichen Einigung, wie Informationen zwischen einzelnen Systemen ausgetauscht werden sollen, ist man jedoch weit entfernt. Genauso von einer Lösung des Komplexitätsproblems. "Der von vielen ERP-Herstellern beschrittene Weg, den steigenden Anforderungen im Business mit immer mächtigeren IT-Systemen zu begegnen, wird unweigerlich in einer Komplexitätsfalle enden", warnt Schönthaler.

Ein Ausweg könnten neue IT-Modelle wie Software as a Service und Cloud Computing sein. Die meisten Softwareexperten sind sich einig, dass diese Ansätze auch den ERP-Markt nachhaltig verändern werden. Lediglich zum Wann und Wie gibt es unterschiedliche Meinungen. Gartner rechnet damit, dass die weltweiten Umsätze für Software as a Service im Enterprise-Application-Software-Markt im laufenden Jahr bei etwa 8,5 Milliarden Dollar liegen werden - das entspricht einem Wachstum von 14,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Der SaaS-Anteil am globalen Geschäft mit Business-Anwendungen soll sich von zehn Prozent im Jahr 2009 auf mehr als 16 Prozent im Jahr 2014 erhöhen.

IDC-Analyst Rüdiger Spies: "Software as a Service ist nicht aufzuhalten."
IDC-Analyst Rüdiger Spies: "Software as a Service ist nicht aufzuhalten."

Gerade deutsche Unternehmen tun sich jedoch noch schwer damit. Eine Umfrage der Gartner-Tochter AMR Research hat ergeben, dass in den USA und in aufstrebenden Wirtschaftsnationen wie Brasilien und China bereits ein Drittel der Unternehmen mit ERP-on-Demand liebäugeln. Hierzulande seien es jedoch erst elf Prozent. Warum das Interesse noch gering ist, erklärt das Hamburger Beratungshaus Softselect: Investitionen in die eigene Infrastruktur, mangelndes Vertrauen in die Software-Provider und Sicherheitsbedenken seien die gravierendsten Gründe gegen SaaS. Darüber hinaus könnte das Modell durch IT-Abteilungen, die sich nicht selbst überflüssig machen wollten, oder IT-Systemhäuser, die ihren Markt mit Projekt- und Betreuungsgeschäft bedroht sähen, ausgebremst werden. Lang dauern wird der Widerstand jedoch nicht, glaubt IDC-Analyst Spies: "SaaS ist nicht aufzuhalten."