Dienstleistung als Verkaufsargument

Beratung zum Nulltarif

05.12.2003
Von 


Christoph Lixenfeld, seit 25 Jahren Journalist und Autor, vorher hat er Publizistik, Romanistik, Politikwissenschaft und Geschichte studiert.

1994 gründete er mit drei Kollegen das Journalistenbüro druckreif in Hamburg, schrieb seitdem für die Süddeutsche Zeitung, den Spiegel, Focus, den Tagesspiegel, das Handelsblatt, die Wirtschaftswoche und viele andere.

Außerdem macht er Hörfunk, vor allem für DeutschlandRadio, und produziert TV-Beiträge, zum Beispiel für die ARD-Magazine Panorama und PlusMinus.

Inhaltlich geht es in seiner Arbeit häufig um die Themen Wirtschaft und IT, aber nicht nur. So beschäftigt er sich seit mehr als 15 Jahren auch mit unseren Sozialsystemen. 2008 erschien im Econ-Verlag sein Buch "Niemand muss ins Heim".

Christoph Lixenfeld schreibt aber nicht nur, sondern er setzt auch journalistische Produkte ganzheitlich um. Im Rahmen einer Kooperation zwischen Süddeutscher Zeitung und Computerwoche produzierte er so komplette Zeitungsbeilagen zu den Themen Internet und Web Economy inklusive Konzept, Themenplan, Autorenbriefing und Redaktion.

Die Phase der spezifischen Beratung begann mit der Auswahl des Systemhauses. Zunächst waren Cap Gemini Ernst & Young und Steeb im Rennen, dann kam All for One aus dem schwäbischen Oberessendorf hinzu. Alle haben bei Multivac dreitägige Workshops abgehalten, um das Pflichtenheft abzuarbeiten. Natürlich waren diese Veranstaltungen umsonst, „und wenn sich das jemand hätte bezahlten lassen, dann wäre das für mich auch ein K.-o.-Kriterium gewesen“, so Multivac-Manager Christian Traumann. Die Wahl fiel auf All for One, und anschließend durchleuchtete der Sieger noch einmal drei Tage die Prozesse bei Multivac - auch diese Leistung wurde nicht berechnet. Dann folgte ein Vorprojekt, das 14 Tage dauerte, und dann begann die Kostenuhr zu laufen. Die 14 Tage wurden bei Vertragsabschluss mit verrechnet.

„Und wenn wir zu diesem Zeitpunkt noch ausgestiegen wären, hätten wir diese Tage auch bezahlen müssen“, davon ist Christian Traumann überzeugt. „An dieser Stelle war aber nach unserer Auffassung ohnehin die Grenze des Anstands erreicht. Außerdem wollen wir ja, dass das Systemhaus leben kann, damit es uns in drei Jahren auch noch unterstützt.“

Prozesse statt Software anpassen

Die Strategie, die Multivac beim Thema Beratung gewählt hat, kann durchaus als gutes Beispiel für andere Mittelständler dienen. Motto: Im Vorfeld nicht auf jeden Euro und jeden Arbeitstag schauen, sondern die eigenen Strukturen und Bedürfnisse ausführlich analysieren und definieren. Das spart Geld und Nerven bei der eigentlichen Umsetzung beziehungsweise der konkreten Implementierung. Eine 100-Prozent-Einführung der SAP-Lösung ist bei Multivac gar nicht geplant, 80 Prozent sollen genügen, um den Rest will man sich irgendwann selber kümmern. Und: „Es gab die Vorgabe der Geschäftsleitung, dass nichts sonderprogrammiert wird“, erzählt Christian Trautmann. „Stattdessen passen wir unsere Prozesse den Erfordernissen des Systems an. Nur so können wir problemloses Updaten langfristig ermöglichen.“ Ein solches Vorgehen spricht Thomas Lindner aus der Seele. „In Deutschland wird jede Standardsoftware extrem angepasst, weil wir Organisations-Perfektionisten sind“, so Lindner, der in der Außerdem wollen die Anbieter hoch angepasst verkaufen, weil der Deckungsbeitrag bei der Implementierung sehr hoch ist.“

Sinnvoll sei diese Überanpassung nicht unbedingt: „Die perfekt angepassten Prozesse will man möglicherweise schneller wieder ändern, als man zu Anfang denkt.“ Deshalb hält es auch der CAS-Manager für angebracht, die eigenen Prozesse zunächst genau unter die Lupe zu nehmen. Sich schon in dieser Phase trotz aller Vorbehalte auf eine externe Beratung einzulassen, weil diese Dienstleistung vielleicht nichts kostet, muss nicht unbedingt eine gute Idee sein - denn Unternehmen wie IBM oder Microsoft machen nicht selbstlos den Mittelständler schlauer und glücklicher, sondern sie wollen ihre Produkte und Services verkaufen. „Und jede Leistung, die jemand unentgeltlich anbietet, muss er woanders wieder berechnen,“ glaubt Günther Würtz, Leiter des Steinbeis-Transferzentrums, einer Stiftung für Technologieberatung und -transfer. „Außerdem gibt es immer noch die weit verbreitete Überzeugung, dass etwas, das nichts koste, auch nichts wert sei.“

 

Tatsächlich umsonst sein sollte - jedenfalls bei Projekten ab einer gewissen Größe - die ausführliche Vorstellung des Produkts beziehungsweise einer Dienstleistung. Workshops von zwei- bis dreitägiger Dauer sind zum Beispiel vor dem Start eines CRM- oder ERP Projekts der Normalfall. Manchmal folgt im zweiten Schritt dann ein ebenso langer Analyse-Workshop. Hierbei handelt es sich im Grunde schon um eine echte Beratungsleistung, die sich die meisten Anbieter am liebsten bezahlen lassen würden. Allerdings: „Wer geschickt verhandelt, kriegt so eine Schulung auch schon mal kostenlos“, räumt Thomas Lindner von CAS ein. „Das Problem ist auch, dass alle ein Projekt zum Festpreis kaufen wollen. Ohne eine genauere Analyse des Problems kann aber niemand mit gutem Gewissen einen solchen Festpreis nennen. Deshalb sind solche intensiveren Workshops auch im Sinne der Anbieter.“ Allerdings müsse das Entgegenkommen Grenzen haben: „Wenn es um 30 Lizenzen zu je 400 Euro geht, dann kann ich mir den Deckungsbeitrag ungefähr ausrechnen. Dann gibt es zwei Präsentationen, und dann muss sich der Kunde aber auch irgendwann entscheiden.“ Das dürfte vor allem dann gelten, wenn der Anbieter nicht IBM oder Microsoft heißt und deshalb nicht wie diese beiden aufgrund schierer Größe mühelos in Vorleistung treten kann.