Arbeitsweise der Informatiker verändert

Arbeitsweise der Informatiker verändert sich

14.11.2003
Von 
Ina Hönicke ist freie Journalistin in München.

Kian Ghanai, bei Accenture als Analyst tätig, hat sich im vergangenen Jahr für eine Tätigkeit im Offshore-Bereich - also jenem Gebiet, in dem die Projekte vorbereitet werden, entschieden. Die vielfältigen Anforderungen und der hohe persönliche Einsatz reizen den Betriebswirt. Ghanai unterstützt die Koordination der verschiedenen internationalen Service Delivery Centers, spricht Standards und Prozeduren mit dem Kunden ab und vereinheitlicht diese. Die Qualitätssicherung fällt ebenfalls in seinen Tätigkeitsbereich. Ghanai: "Meine Aufgabe ist sehr interessant. Ich arbeite mit Kollegen mit unterschiedlichem kulturellen und fachlichen Hintergrund zusammen - und die Teamarbeit klappt hervorragend."

Accenture-Chef Scholtissek ist überzeugt, dass gerade die Deutschen gute Voraussetzungen mitbringen, um ausgelagerte Arbeiten professionell zu steuern: "Benötigt werden Organisationstalent, Genauigkeit und Begeisterung - kurzum alles deutsche Tugenden." Wenn Offshoring intelligent gemacht würde, könne der so genannte Jobkiller seiner Meinung nach sogar zum Jobmotor werden. Als Beispiel nennt Scholtissek die Automobilindustrie: Obwohl viele Produktionen ins Ausland verlagert worden seien, hätten die deutschen Autobauer in den vergangenen Jahren eher eingestellt als entlassen.

Offshoring als Jobmotor - diese Prognose sieht Hansjörg Siber, der bei Cap Gemini Ernst & Young den Bereich Business Process Outsourcing leitet, eher skeptisch: "Natürlich benötigen die Unternehmen für das Front-Office qualifiziertes High-Tech-Leute - ihre Zahl sollte aber nicht überschätzt werden." Schließlich würde sich das Verhältnis Front- zu Back-Office künftig dramatisch verändern. In amerikanischen Studien sei mittelfristig von 25 zu 75 Prozent die Rede. Cap Gemini Ernst & Young verlangt von seinen Frontend-Mitarbeiter viel. Siber: "Neben technischem Know-how und Kommunikationsfähigkeit müssen sie die englische Sprache wirklich beherrschen."

Weil die Vermittlung von Informationen bei Offshore-Projekten eine derart zentrale Rolle einnimmt, sieht der Consultant eine Spezies auf der Verliererstraße: "Diejenigen Softwareexperten, die nicht in der Lage sind, als Moderator aufzutreten, werden in Deutschland bald keinen Job mehr finden." Große Entwicklungsabteilungen, in denen introvertierte Softwerker bislang immer ihren Platz gefunden hätten, werde es nämlich nicht mehr lange geben.

Nur Innovation rettet Jobs

Fragt sich nur, wie angesichts der Konkurrenz in Billiglohnländern das ideale Profil eines Informatikers aussehen sollte. Bei der Frage, ob die Hochschulen den Nachwuchs angemessen auf diese Situation vorbereiten, scheiden sich die Geister. Während die einen Experten mehr Praxibezug fordern, lehnen Hochschulprofessoren dies ab. Ihrer Meinung nach bietet eine fundierte Grundlagenausbildung die beste Chance, das lange Berufsleben zu meistern.