Die drei Männer richten ihren Blick in die Ferne, ihre Ellenbogen ruhen gelassen auf dem Mauervorsprung, die Oberkörper leicht nach vorne gebeugt, die Schultern straff. Frank-Jürgen Weise, Heinrich Alt und Raimund Becker bilden den Vorstand der Bundesagentur für Arbeit und wollen in ihrer aktuellen Studie "Perspektive 2025: Fachkräfte für Deutschland" Zuversicht ausstrahlen.
Sie zeigen Strategien auf, wie sich das Fachkräfteangebot in einer alternden Gesellschaft steigern lässt. Unter anderem gelte es, mehr Menschen über 55 Jahren und Frauen im Arbeitsmarkt zu halten oder über Zuwanderung ausländische Fachkräfte zu gewinnen. Soweit die Theorie. Doch wie sieht die Praxis aus, etwa in der IT-Branche, in der es laut Branchenverband Bitkom derzeit 28.000 offene Stellen gibt, und immer mehr Unternehmen über Fachkräftemangel klagen?
IT-Dienstleister stellen im großen Stil ein
Fachkräftemangel ist ein Wort, das Oliver Tuszik elektrisiert. Fragt man den Vorstandschef von Computacenter, ob man im Jahr eins nach der Krise schon von einem Mangel sprechen könne, bleibt angesichts der vielen Zahlen und Argumente kaum zum Luftholen. Der IT-Dienstleister sucht unter anderem Experten für Windows-7, Security, Netzwerke und Virtualisierung, über 300 offene Postionen, einige davon sind schon über ein Jahr unbesetzt. Zum Vergleich: Im Krisenjahr 2009 suchte Computacenter 50 neue Mitarbeiter, "den Mangel gab es auch während der Krise", sagt Tuszik. Fehlen die geeigneten Mitarbeiter, bestehe die Gefahr, dass zu wenig Zeit für interne Projekte bleibt und das Portfolios des Unternehmens nicht so wie geplant ausgebaut werden kann.
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Darum muss Tuszik an vielen Schrauben drehen: Zu Traineeprogrammen für den Nachwuchs kommen interne Ausbildungsprogramme, etwa für die 3000 Servicetechniker. Mit Programmen wie einer Work-Life-Balance-Beratung, Gesundheitstrainings oder einem Familienservice versucht Computacenter als attraktiver Arbeitgeber zu punkten, doch am erfolgreichsten ist die Recruiting-Methode, die zugleich die persönlichste ist. "Wir fordern unsere Mitarbeiter auf, Freunde und Bekannte für die Firma zu gewinnen ", sagt Tuszik. "Das wirkt am besten. Jeder Kollege, der einen neuen Mitarbeiter wirbt, erhält auch eine Prämie." Bei allem Werben um die Gunst der Fachkräfte ist er aber nicht bereit, Abstriche in der Qualifikation zu machen: "Als Dienstleister haben wir kein Produkt, sondern nur die Qualität unserer Mitarbeiter. Wenn wir da Kompromisse machen würden, würden wir uns selbst in die Tasche lügen, mit unseren Kunden Probleme bekommen sowie unserem Image schaden."
- Wir stellen ein!
Seit Herbst 2010 hat sich die Situation auf dem IT-Arbeitsmarkt für die Jobsuchenden entspannt. Viele Unternehmen stellen wieder neue Mitarbeiter ein. Die CW befragte Firmen und Personalberater, welche IT-Profis gesucht sind. - August-Wilhelm Scheer, Präsident Bitkom
Der Branchenverband beziffert die Zahl der offenen IT-Stellen auf 28.000, vor allem Softwarehäuser, IT-Dienstleister und Internet-Firmen stellen ein. 11.200 Stellen entfallen auf die Kernbranchen Informationstechnik und Telekommunikation, 16.800 auf andere Wirtschaftszweige. - Georg Pepping, Geschäftsführer Personal T-Systems
"Wir benötigen hoch qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beispielsweise für die Funktionen IT-Architekt, IT Consultant, Projekt- oder Service Manager. Aber auch Spezialisten für Themen wie SAP oder Java werden gesucht. Die Talente auf diesem Gebiet werden von vielen umworben und die Nachfrage übersteigt das Angebot. Hier haben wir Maßnahmen aufgelegt, diese Fachkräfte zum einen ins Unternehmen zu holen und zum anderen möglichst langfristig ans Unternehmen zu binden." - Oliver Tuszik, Vorstandschef Computacenter
Der IT-Dienstleister hat derzeit 300 offene Stellen und sucht unter anderem Experten für Windows 7 in den Bereichen Desktop, Security und Virtualisierung, aber auch IT-Profis, die sich auf Netzwerke, Security oder Data Center spezialisiert haben. Für Einsteiger gibt es Traineeprogramme. - Herbert Wittemer, Personalleiter msg systems AG
Über 200 offene Stellen hat der IT-Dienstleister msg systems. Personalleiter Wittemer sucht vor allem Softwareentwickler, Berater, Projekt-Manager und Softwarearchitekten. „Wir suchen auch verstärkt Nachwuchskräfte, die wir in Java oder Abap selbst ausbilden.“ - Claudia Gharavi, Geschäftsführerin Mesh GmbH
Der Rechenzentrumsbetreiber beschäftigt derzeit 30 Mitarbeiter und will weiter wachsen. Geschäftsführerin Gharavi sucht Techniker, die auf Vmware spezialisiert sind, aber auch Storage-Experten für den Kundensupport. Aber auch in den Bereichen Sales und Marketing hat Mesh Personalbedarf. - Roland Fesenmayr, Geschäftsführer Oxid eSales
Derzeit beschäftigt der E-Commerce-Hersteller in Freiburg und Halle 50 Mitarbeiter. Aktuell sucht Roland Fesenmayr unter anderem Entwickler mit sehr guten PHP-Kenntnissen und entsprechenden Soft Skills. Stimmt die Motivation und Begeisterung für agile Entwicklungsmethoden, ist Fesenmayr auch offen für Quereinsteiger. - Mauricio Matthesius, Gründer und CFO sones GmbH
Das junge Startup aus Erfurt hat gerade die zweite Finanzierungsrunde hinter sich. CFO Matthesius ist froh, bislang viele Bewerbungen bekommen zu haben, zumal auch ein enger Kontakt zu den Hochschulen der Region besteht. Gesucht werden .net-Entwickler und Mitarbeiter für Vertrieb und Marketing. - Jan Wilfarth, Personalchef Innogames GmbH
Der Hamburger Hersteller von Online-Spielen will seine Mitarbeiterzahl auf 200 verdoppeln. Personal-Manager Jan Wilfarth sucht neben Mitarbeitern in den Bereichen Grafik, Online-Marketing, Personal und Finanzen vor allem Programmierer. Die Entwickler sollten PHP und Javascript beherrschen. Innogames bildet auch Azubis und duale Studenten aus. - Klaus Eberhardt, Geschäftsführer Iteratec
Der mittelständische IT-Dienstleister sucht etwa 30 neue Mitarbeiter im Jahr. bevorzugte Jobprofile sind Softwareentwickler Java EE, Softwarearchitekten, IT Management- / Strategieberater und Senior Consultant Business Intelligence. - Dagmar Schimansky-Geier, Personalberatung 1a Zukunft
In SAP-Markt ist der Bedarf an Beratern mit Projekterfahrung groß. Nach Erfahrung von Personalberaterin Schimansky-Geier hat jeder, der fachlich gut ist und keine persönlichen Defizite hat, wenig Probleme bei der Jobsuche. Für ihre Kunden fahndet Schimansky-geier nach Softwarearchitekten, Business-Intelligence-Beratern und Netviewer-Experten. Zunehmend gesucht sind Application Manager, die die SAP-Systeme beim Kunden aktuell halten und den Support organisieren. - Jürgen Rohrmeier, Personalberatung Pape Consulting
„Senior Consultants, Projektleiter und Systemarchitekten sind besonders gefragt.“ Personalberater Rohrmeier hat die Erfahrung gemacht, dass so genannte Business Consultants schwer zu finden sind: Diese müssen nicht nur verstehen, wie eine IT-Lösung funktioniert, sondern brauchen auch Prozess- und Projekt-Management-Wissen.
Keine Chancen für Quereinsteiger
Keine Kompromisse in der fachlichen Qualifkation - keine Chancen für Quereinsteiger? In der Tat scheint der Mangel bei vielen Unternehmen noch nicht so akut, als dass sie sich Umsteigern aus IT-fernen Branchen wie Ende der 90er öffnen und sie qualifizieren würden. Dagmar Schimansky-Geier, Geschäftsführerin der Bonner Personalberatung 1a Zukunft, sucht für ihre Kunden vor allem nach SAP-Beratern, die zu den umworbensten Zielgruppen auf dem IT-Arbeitsmarkt gehören: "Im SAP-Umfeld haben zwar Hochschulabsolventen wieder bessere Chancen, aber Quereinsteiger ohne Projekterfahrung sind nicht gefragt." Auf der Wunschliste der Unternehmen stünden vielmehr Berater zu den Themen Business Intelligence und Netviewer, Softwarearchitekten sowie Application Manager. Letztere halten die Applikationen, die die Berater beim Kunden eingeführt haben, aktuell, unterstützen die Anwender und organisieren den Support. "Obwohl ein Application Manager deutlich weniger reisen muss als ein Berater, ist er schwer zu finden. Auch er braucht fundiertes SAP-Wissen", schildert Schimansky-Geier.
Stellen sind schwerer zu besetzen, wenn sie mit häufigen Reisen verbunden sind. Diese Erfahrung musste Martin Wunderli machen. Der Chief Technology Officer (CTO) des IT-Dienstleisters Trivadis war selbst überrascht, wie schnell sich das IT-Geschäft nach der Krise erholte und wie rasch sich die Lage auf dem Jobmarkt veränderte: "Der Arbeitsmarkt ist sehr trocken, er ist wieder mehr zum Arbeitnehmermarkt geworden." Technische Berater, die auch Konflikte beim Kunden lösen können und zur Firmenkultur passten, seien rar. Wunderli wünscht sich neugierige Mitarbeiter, die eigene Ideen ausprobieren, Machertypen, die anstatt sich durch Powerpointfolien zu klicken selbst Hand anlegen und im Team die Probleme lösen.