Die Zeche zahlen oft die Mitarbeiter

13.12.2005
Von 
Winfried Gertz ist Journalist in München. Er arbeitet in einem Netzwerk von zahlreichen Anbietern kreativer Dienstleistungen. Das Spektrum reicht von redaktioneller Hörfunk- und Fernsehproduktion über professionelle Fotografie bis zu Werbetexten für Industrieunternehmen und Non-Profit-Organisationen.
Outsourcing eröffnet neue Karrierpfade - oder führt dirket in die Arbeitslosigkeit. Betroffene IT-Experten schildern ihr Schicksal.

Der Betriebsrat der Deutschen Bank staunt Bauklötze. Was der IBM-Vertriebsmann ihm gerade in der S-Bahn verrät, dürfte vielen bei dem Finanzinstitut beschäftigten IT-Kollegen in den kommenden Wochen schlaflose Nächte bereiten. An die explosive Stimmung in der anderntags anlässlich des bevorstehenden Outsourcing-Projekts einberufenen Betriebsversammlung erinnert sich Doris Keppler, im Frühjahr 2002 Teamleiterin in der Systemprogrammierung, noch heute haargenau. "Jahrelang haben wir uns krumm gelegt", schäumten Mitarbeiter vor Wut, "und als Dank werfen sie uns nun raus."

Hier lesen Sie ...

  • wie unterschiedlich betroffene Mitarbeiter das Outsourcing beurteilen;

  • welche Fehler das Management macht;

  • warum nicht nur Mitarbeiter Veränderungsbereitschaft zeigen müssen.

In den seltensten Fällen wird die Belegschaft auf einschneidende Veränderungen etwa durch Auslagerungsvorhaben rechtzeitig vorbereitet. Vielen Managern ist vertrauensbildende Kommunikation unbekannt, die Führung und Motivation ihrer Mitarbeiter eher lästig. "in den vergangenen zehn Jahren hat die Beachtung von Mitarbeiterinteressen tendenziell nachgelassen", beobachtet etwa

Viele Unternehmen mit Outsourcing-Plänen verkennen, dass ein erfolgreicher Betriebsübergang den Rückhalt der IT-Mitarbeiter braucht.
Viele Unternehmen mit Outsourcing-Plänen verkennen, dass ein erfolgreicher Betriebsübergang den Rückhalt der IT-Mitarbeiter braucht.

Lothar Rolke, Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Fachhochschule Mainz. Mit der eigenen Belegschaft spricht das Management deutlich weniger als mit Kunden.

Wütende Mitarbeiter

Erst wenn die gewünschten Einsparungs- und Gewinnziele auf beiden Seiten fixiert und Verträge ratifiziert sind, wird die Katze aus dem Sack gelassen. Sickert die Nachricht wie beim Infrastruktur-Outsourcing-Projekt von Deutscher Bank und IBM dennoch frühzeitig durch, haben Betriebs- und Personalräte, Vertrauensleute und Führungskräfte alle Hände voll zu tun, um dem aufschäumenden Gefühlschaos Herr zu werden. Keppler: "Viele Kollegen drohten, alles hinzuschmeißen", schildert Keppler.

Outsourcing-Deals mit Mitarbeiterübergang (Auswahl)

Anwenderunternehmen

Künftiger Arbeitgeber

Zahl der betroffenen Mitarbeiter

Ausgelagerte Dienste

Gerling

SBS

280

RZ-, Desktop- und Netzbetrieb

Sparkasse München

IZB

200

IT-Betrieb

E-Plus

Atos Origin

180

IT-Infrastruktur, Applikations-Management

Fraport

Gedas

120

IT-Betrieb

Unilever

Accenture

ca. 120

IT-Infrastruktur (angekündigt)

Haspa

Wincor Nixdorf

90

IT-Betrieb

Flughafen Düsseldorf

Sita

63

Komplett-Outsourcing

Deutsche BP

Atos Origin

50

Anwendungs-Management

Deutsche Bank

Logica CMG

39

Anwendungsentwicklung

IVG

T-Systems

25

IT-Betrieb

Von Mitarbeiterbelangen ist in IT- und Management-Kreisen geführte Outsourcing-Debatte heute gänzlich frei. Statt sich Gedanken um die schlechte Außendarstellung zu machen, die Versäumnisse in der Kommunikation mit den Mitarbeitern bewirken, erwecken die Branchenvertreter den Anschein, der Auslagerungszug lege nun erst richtig an Tempo zu. Laut IT-Verband Bitkom soll der Umfang ausgelagerter IT-Dienstleistungen in Deutschland von zehn Milliarden Euro im Jahr 2003 auf 17 Milliarden Euro in 2008 steigen. "Damit entsteht eine neue Schlüsselindustrie", heißt es in Berlin.