Interview mit Michael Dell

"Wir sind nicht mehr abhängig vom Erfolg einer Kiste"

09.08.2011

Innovative Trends beginnen in kleinen Unternehmen

Dell wollte sich auch als Anbieter horizontaler Lösungen für mittelgroße Betriebe aller Branchen positionieren. Welche Art von Angeboten sind heute für diese Kundengruppe bestimmt?

Dell: Von all unseren Lösungen sind ungefähr 80 Prozent übergreifend und 20 Prozent branchenspezifisch einsetzbar. Horizontale Lösungen lassen sich natürlich viel breiter vermarkten, die Nachfrage ist größer. Das sind Themen wie Virtualisierung oder Data Center der nächsten Generation. Ebenso Cloud Computing, die Anbindung mobiler Clients oder IT-Sicherheitslösungen - wir haben viele horizontale Lösungen, die für alle brauchbar sind. Vor allem für Kunden, deren Geschäft relativ vorhersagbar ist, lassen sich solche Lösungen nahezu fabrikartig ausrollen. Aus Kundensicht funktioniert das effizient, schnell und erfolgreich. Es ist nicht so schwierig, dasselbe hoch optimiert wieder und wieder und wieder zu tun.

Und für Dell ergeben sich schöne Skalierungseffekte.

Dell: Ja. Wir fokussieren uns auf das mittlere Marktsegment, weil Innovationen hier oft ihren Ausgangspunkt haben und eine Menge neue Lösungen entstehen sehen. Denken Sie an x86-Server. Diese Rechner kamen nicht in den größten Unternehmen der Welt zum Durchbruch. Ich weiß noch genau, wie mir die Großunternehmen gesagt haben, bleib mir weg mit dem Zeug, wir nutzen Mainframes. x86-Server kamen in kleinen, wendigen und schnellen Firmen hoch, um dann auch von mittleren und schließlich von großen Unternehmen eingesetzt zu werden - vom Web- über den Anwendungs- bis hin zum Datenbank-Layer. Heute stehen sie im Zentrum der Rechenzentren der weltgrößten Unternehmen.

Sehen Sie sich all die neuen Unternehmen an: überall x86-Server! Google und Baidu, diese Leute wollen keine Mainframes oder Minicomputer. Es geht nur um x86 - wahrscheinlich wird ARM in Zukunft auch noch eine wichtigere Rolle spielen. Ähnlich verhält es sich mit flachen Netzarchitekturen, iSCSI, Social Computing und all die neuen Formen von Collaboration: Diese innovativen Trends beginnen immer in kleinen Betrieben.

Die gesamte IT-Industrie, die für 2,7 Billionen Dollar steht, wendet sich an fünf Kundenkreise. Das sind zum einen Privatkunden, sehr große Weltkonzerne und die öffentlichen Verwaltungen - ein Segment, das übrigens größer ist als Consumer- und Großkonzern-Business. Und dann sind da noch die beiden größten Gruppen: kleine und mittlere Unternehmen sowie Großunternehmen. Die meisten IT-Anbieter designen ihre Produkte nur für die großen und sehr großen Konzerne.

Was ist daran falsch?

Dell: Es ist nicht unbedingt schlecht, das zu tun. Wir bedienen die einen Kunden, sie die anderen. Wir verkaufen auch an die größten Konzerne der Welt, ebenso an Privatkunden. Besonders interessant erscheint uns aber der mittelständische Markt, der nicht nur der größte, sondern auch der am schnellsten wachsende ist. Denken Sie nur an all die kleinen, aber aufstrebenden Unternehmen rund um den Globus.

Für uns ist es wichtig, die Pyramide der Unternehmen im Auge zu behalten. Bei LinkedIn findet man gute Suchwerkzeuge, mit denen sich Unternehmen nach Größe sortieren lassen. Sie werden feststellen, wie unglaublich groß die Menge der Firmen mit 1000 bis 5000 Mitarbeitern ist. Konzerne mit über 100.000 oder gar 200.000 Leuten gibt es nur wenige.