Pure-Storage-CEO im Interview

"Wir behandeln Speicher nicht als Commodity"

10.07.2023
Von 
Heinrich Vaske ist Editorial Director a.D. von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO.

Ein Storage-Betriebssystem für Cloud und on Premises

In Zeiten von Edge Computing müssen Unternehmen auch ihre Storage-Landschaften umbauen. Sie brauchen mehr lokale Speichereinheiten.

Giancarlo: Das kennen wir, wir haben viele Installationen im Fertigungsbereich. Es hilft, dass unser Purity-Betriebssystem nicht nur auf unseren Systemen, sondern auch in der Public Cloud läuft. Das verschafft uns eine hohe Flexibilität. Wir haben dasselbe Interface zu den Cloud- wie zu den On-Premises-Anwendungen und können Daten recht einfach bewegen.

Viele Unternehmen haben derzeit wirtschaftliche Herausforderungen zu meistern. Sie möchten automatisieren und ihr knappes Personal entlasten. Können Storage-Systeme dazu beitragen?

Giancarlo: Wir beantworten diese Frage mit unserem "Cloud Operating Model". Wenn Sie in die Geschichte der Storage-Systeme zurückschauen, dann erinnern Sie sich an Operational Manuals, die fingerdick waren. Die Unternehmen bekamen ein- oder zweiwöchige Trainingskurse, nur um ihre Storage-Systeme managen zu können.

Um davon wegzukommen, haben wir ein paar Regeln aufgestellt. So darf das Setup eines Storage-Systems nicht länger als eine Stunde dauern - einschließlich dem Einbau in ein Rack. Mit Pure Fusion geben wir Kunden außerdem die Möglichkeit, ihre Systeme als einen zusammengehörigen Pool zu verwalten. Das funktioniert wie bei den Cloud-Anbietern: Die bieten den Entwicklern APIs an, um den Speicher-Pool anzusprechen. So machen wir es auch mit Pure Fusion. Es ist im Grunde vergleichbar mit dem, was VMware im Bereich Virtualisierung mit vSphere oder was die Netzwerkbetreiber machen.

Welche Rolle wird der absehbare Generative-AI-Boom für Ihre Geschäfte spielen?

Giancarlo: Eine sehr wichtige. In den meisten Unternehmen wurden Speichersysteme so dimensioniert, dass sie exakt das taten, was sie in dem jeweiligen Silo tun sollten, nicht mehr. Hintergrund ist, dass Anwender immer auf der Suche nach dem niedrigsten Preis sind. Mit AI verändert sich nun das Spiel. Machine Learning bedeutet, dass GPUs Hunderte von Gigabytes an Daten pro Sekunde verarbeiten. Wenn man einmal ein Lage Language Model erstellt hat und es nutzen will, dann müssen die Daten direkt verfügbar sein. Sind sie in Silos gefangen, ist das aber nicht der Fall.

Wir sind deshalb sehr zuversichtlich, was den Machine-Learning-Markt angeht. Da haben wir mit unserem Flash-Blade//S ein führendes High-Performance-Produkt. Was für uns wirklich spannend ist: All die in den Silos gefangenen Daten, die nicht performant im Zugriff liegen, werden auf High-Performance-Systeme migriert werden müssen. Nicht unbedingt auf die Top-Systeme, aber es werden leistungsfähigere sein müssen als bisher. Hier geht der Trend ganz klar zu All-Flash-Systemen.

Mit Snapshots Daten sofort wiederherstellen

Ein anderer wichtiger Markt für Pure dürften Systeme für Backup & Recovery sein. Wir sehen weltweit eine steigende Anzahl von Ransomware-Angriffen, weshalb die Nachfrage schnell wachsen dürfte. Welche Strategie verfolgen Sie hier?

Giancarlo: Vor vier Jahren haben wir mit SafeMode ein Produkt eingeführt, das zwei wichtige Dinge macht: Kunden können damit nach Regeln Snapshots von Datenbanken oder Datenbeständen in bestimmten, festzulegenden Abständen tätigen. Diese Snapshots sind gut geschützt und auch für Ransomware unveränderbar. Je nach Policy können damit Daten sehr schnell wiederhergestellt werden, wenn dafür zwei Schlüssel betätigt werden: einen hat der Kunde, den anderen haben wir. Bei diesem Verfahren liegen produktives System und Backup auf derselben Hardware.

Manchmal wollen Kunden aber aus Sicherheitsgründen eine Airgap. In dem Fall werden die Daten kopiert und redundant vorgehalten. Da dauert der Recovery-Prozess dann etwa eine Stunde. Das ist ein Riesenfortschritt gegenüber Harddisks, wo ein Recovery-Prozess auch mal 48 Stunden dauern kann. Die Festplatten waren vielleicht billig, vor allem aber langsam. Heute geben wir in unseren SLAs Garantien dafür, wie schnell ein Recovery-Vorgang durchgeführt wird.

SafeMode ist Teil unseres Geamtportfolios. Bis vor einem Jahr mussten Kunden die Funktion aktivieren, Opt-in sozusagen. Vor einem Jahr haben wir das geändert, es ist nun standardmäßig eingestellt und der Kunde muss ein Opt-out wählen, wenn er es nicht will.

Lassen Sie uns zu Ihrer großen Jahreskonferenz Accelerate vor zwei Wochen kommen. Welche Neuigkeiten hatten Sie im Gepäck?

Giancarlo: Wichtig war, dass wir unsere E-Produktfamilie für den Low-end-Bereich um das neue "FlashArray//E" erweitert haben. Damit lösen wir das Versprechen ein, Kunden endgültig von Festplatten mit all ihren Einschränkungen zu erlösen. Sie können damit ein Datenvolumen von 1 Petabyte (PB) und mehr bewältigen.

Wir hatten zu Jahresbeginn bereits FlashBlade//E auf den Markt gebracht, ein skalierbares System für unstrukturierte Daten, das für die Unterstützung einheitlicher Datei- und Objekt-Workloads entwickelt wurde. Mit FlashArray//E wird die E-Familie jetzt um die Unterstützung von Unified Block and File erweitert, wobei eine Skalierung der Kapazität auf bis zu vier PB möglich ist.

Flash-Storage für File-, Object- und Blockdatenspeicher

Mit anderen Worten, Sie hoffen, dass die Kunden damit endgültig die Festplattensysteme aus ihren RZs verbannen werden.

Giancarlo: Genau, jetzt können sie Flash-Systeme für alle File-, Object- und Blockdatenspeicher nutzen. FlashArray//E ist ein Niedrigpreis-System, positioniert für Backup, File-Store etc. Im Highend hatten wir schon im vergangenen Jahr ein neues System für KI eingeführt, FlashBlade//S.

Wirklich neu war auf der Accelerate aber, dass wir nun die komplette Preis-Leistungs-Bandbreite für Kunden abdecken können. Vorher konnten wir nur den High-end-Sektor bedienen, aber 80 Prozent der Daten liegen auf preiswerten Harddisk-Systemen. Jetzt können wir erstmals den gesamten Markt zu 100 Prozent adressieren. Wir können den Kunden Flash-Speicher für alle ihre Daten auf einem konkurrenzfähigen Preisniveau anbieten, und wir machen das mit einer einzigen, konsolidierten Produktlinie - mit einem Betriebssystem, einem Management-System und demselben API-Set für jede mögliche Konfiguration.

Das ist ein Unterschied zu unseren Wettbewerbern, die oft auf einem breiten Spektrum zugekaufter Systeme sitzen, mit unterschiedlicher Hardware sowie verschiedenen Betriebs- und Management-Systemen. Wir wissen, dass unsere Kunden standardisierte Systeme über alle Größenordnungen hinweg wollen.

Sie behaupten also, der Zeitpunkt ist gekommen, an dem Harddisks keinen wirtschaftlichen Vorteil mehr bringen?

Giancarlo: Ich habe zur Ankündigung unserer letzten Quartalszahlen etwas getan, was ich noch nie zuvor gemacht habe: Ich habe einen Produktpreis bei einem Earnings Call angekündigt. Damit weiß nun jeder Kunde und jeder Wettbewerber, was unser Upper Limit ist. Ich habe mich öffentlich festgelegt. Der Preis kann jetzt nur noch günstiger werden als das, was ich bei der Analystenkonferenz gesagt habe.

Ich habe das gemacht, weil ich wusste, dass die Leute nicht glauben würden, dass wir so einen günstigen Preis anbieten können. Er liegt nun bei 20 US-Cent pro Gigabyte. Die Obergrenze wird 2024 auf 15 Cent und ein Jahr später auf zehn Cent fallen. Moore`s Law kommt also jetzt beim Kunden an. (hv)