Windows .NET Server soll Java verdrängen

22.08.2002
Von 
Wolfgang Sommergut ist Betreiber der Online-Publikation WindowsPro.

Diese Tendenz zeichnet sich auch für den geplanten Nachfolger des .NET Servers (Codename „Longhorn“) ab. Microsoft will mit der nächsten Version des SQL-Servers (Codename „Yukon“) einen Datenspeicher entwickeln, den nicht nur die relationale Datenbank nutzt, sondern auf den später auch „Exchange“ aufsetzen wird. Dieser soll dann Teil des Betriebssystems werden. Damit folgt Microsoft dem Mantra von Oracle, wonach strukturierte wie unstrukturierte Daten in einem zentralen Unternehmensspeicher abgelegt werden sollten. Im Fall von Oracle 9i und wohl auch von Yukon unterstützt dieser den Zugriff auf die gespeicherten Informationen über eine Vielzahl von Protokollen und vereinfacht zudem die Recherchemöglichkeiten über eine eingebaute Suchmaschine.

Microsofts großzügige Definition dessen, was ein Betriebssystem leisten soll, verleiht dem Windows-Server einen zunehmend hermetischen Charakter. Für Drittanbieter dürfte das System aufgrund der hinzugepackten Software an Bedeutung verlieren. So lässt sich aus Anwendersicht die Anschaffung eines J2EE-Servers für ein Betriebssystem schwer rechtfertigen, wenn dieses schon entsprechende Funktionen umfasst. Ähnliches dürfte in Zukunft auch für Datenbanken, Messaging oder Groupware gelten. Wenn Software jenseits der zahlreichen eingebauten Funktionen nötig ist, dann befindet sich Microsoft mit seinem Server-Portfolio dank enger Verzahnung mit dem Basissystem und aufgrund häufig vorhandener, unternehmensweiter Lizenzverträge meist im Vorteil. Dies erklärt wohl, warum für den Rest der Industrie, der weitgehend auf Java setzt, Linux immer mehr an Bedeutung gewinnt. Der freie Unix-Clone fungiert für Anbieter wie IBM oder Oracle als kostenlose

Laufzeitumgebung ihrer Server-Produkte.

Skepsis über die Attraktivität der Microsoft-Plattform könnte nicht nur Anbieter von infrastrukturnaher Software befallen. Mit dem .NET Server gibt sich Microsoft Mühe, dank erweiterter SMP- und Cluster-Optionen sowie einer 64-Bit-Version eine leistungsfähige Alternative zu Unix-Systemen anzubieten. Der Hersteller versucht beispielsweise anhand von Benchmark-Ergebnissen mit SAP R/3, Anwender von ERP-Software anzusprechen. Nach der Übernahme von Great Plains und Navision durch Microsoft dürften Firmen wie SAP aber wenig Interesse daran haben, das Microsoft-System zu bevorzugen. Sie müssen nämlich damit rechnen, dass Microsoft sie zumindest im Mittelstand über die bekannten Bundling- und Lizenzmodelle ausbooten wird.

Anbieter von Streaming-Software für Multimedia müssen über solche Bedrohungsszenarien indes nicht mehr spekulieren. Bereits seit Windows 2000 gehören die „Media Services“ zum Betriebssystem und erfahren im .NET Server eine erhebliche Überarbeitung. Zu den Neuerungen, die Nutzer von Windows XP in Anspruch nehmen können, gehören das Abspielen von Musik und Filmen ohne die anfängliche Wartepause zum Puffern der Daten sowie Playback ohne Unterbrechungen. Hinzu kommen für Betreiber zusätzliche Administrationswerkzeuge oder die Möglichkeit, unterschiedliche Typen von Werbungen in Streams einzublenden.

Zunehmend dünner wird auch die Luft für den Thin-Client-Spezialisten Citrix, der die Terminaldienste von Windows um Zusatzfunktionen ergänzt. Viele davon bringt der .NET Server nun selbst mit. Dazu zählen etwa die Fähigkeiten des Remote Desktop Protocol (RDP) in der Version 5.1, das die Nutzung von lokalen Client-Ressourcen wie Druckern oder Dateisystemen erlaubt. Außerdem fallen nun die bisherigen Beschränkungen bei der Bildschirmauflösung und Farbtiefe. Unterstützung für Load Balancing, eine höhere Zahl von Sessions pro Server und einfachere Verwaltung durch Unterstützung von Group Policies verringern die Notwendigkeit für Tools von Drittanbietern.