Glücksmanager Paul Dolan im Interview

Wie das Glück bei uns bleibt

24.01.2014
Von Thorsten Firlus-Emmrich

Macht weniger Konsum glücklicher?

Raten Sie uns zu einem bescheideneren Lebensstil, zu weniger Konsum jenseits des Notwendigen?

Sie möchten wohl gern hören, dass ich sage: Konsum macht nicht glücklich. Den Gefallen kann ich Ihnen aber nicht tun, auch wenn soziale Kontakte noch so wichtig sind. Ein Teil dessen, was uns glücklich oder mies fühlen lässt, ist dem Sozialtier in uns geschuldet. Wir wollen uns mit Menschen umgeben, die so sind wie wir, und wollen wissen, was Menschen, die wie wir sind, von uns denken. Deshalb ist es sehr hart, gegen eine Welle des Konsums anzuschwimmen und komplett anders sein zu wollen als alle anderen. Plötzlich sind Sie isoliert in Ihrem gewohnten Umfeld. Wir alle sind mehr oder weniger angezogen vom Konsum von Dingen oder Dienstleistungen. Dabei sollten wir mehr Zeit mit Freunden verbringen, Spaziergänge im Wald machen - aber ein schönes Auto zu besitzen ist auch nicht so schlimm.

Mein Wohlbefinden hängt also auch davon ab, in welchem sozialen Umfeld ich mich bewege.

Ja, natürlich. Es tut mir auch leid, dass ich Ihnen keine knackige Antwort geben kann auf die Frage, wie man in fünf Minuten glücklich werden kann. Aber die Sache ist nun mal vielschichtiger. Die Grenzen zwischen einfachem Konsum und Erlebniseinkäufen sind zuweilen sehr verschwommen. Ich besaß mal einen TVR Chimera, einen britischen Sportwagen, 4,5 Liter Hubraum, von 0 auf 100 in 4,6 Sekunden. Jedes Mal, wenn ich den Motor startete, schnurrte er. Ein wunderbarer Achtzylinder. Jedes Mal fühlte ich mich dabei glücklich. Eine wunderbare Maschine, aber schwer zu manövrieren ohne Traktionskontrolle. Aber die Freude, die er mir gab, war echt. Ist das für Sie materieller Konsum? Es ist ein Auto, sicher. Und trotzdem war das Fahren mit einem großartigen emotionalen Erlebnis verbunden - bis ich ihn kaputtgefahren habe.

Was können Unternehmen aus Ihren Untersuchungen lernen?

Wir fragen uns bei den Studien oft: Was löst Zufriedenheit und Glück aus? Die gegenteilige Frage ist - vor allem für Arbeitgeber - mindestens genauso interessant: Was bewirken Zufriedenheit und Glück? Wenn Sie als Unternehmer an Produktivität interessiert sind und Fehltage niedrig halten wollen, dann interessieren Sie sich in der Regel nicht für so wolkige Faktoren wie Zufriedenheit und Glück, da die sich nicht unmittelbar auf die Zahlen auswirken. Diese wachsweichen, nicht messbaren Faktoren sind es aber, die den gewünschten Mitarbeiter ergeben: seltener krank, engagiert, produktiv.

Zufriedenheit und Glück - unsere Groß- oder Urgroßeltern scheinen sich darüber keine großen Gedanken gemacht zu haben. Ist Glück ein Phänomen der Gegenwart, der modernen Erlebnis- und Dienstleistungsgesellschaft?

Für mich sind Glück und Zufriedenheit elementar. Wenn Sie mich fragen, warum ich dies oder jenes haben oder erreichen möchte, und Sie fragen jedes Mal: Aber warum möchtest du das? Dann wird am Ende die Antwort immer sein: Damit ich glücklich bin. Warum willst du reich sein? Warum willst du ein schnelles Auto haben? Warum? Warum? Warum? Am Ende wird die genervte Antwort sein: Damit ich glücklich bin. Und das wird so bei Ihren Großeltern und deren Eltern gewesen sein. Sie hatten vielleicht weniger Wahlmöglichkeiten im Leben. Aber das Ziel war das gleiche. Wenn Sie in einer Gesellschaft leben, in der Sie von Feinden umstellt sind, dann besteht Glück vor allem darin, zu überleben. Danach kommt das Dach über dem Kopf und so weiter und so weiter.

Wir Deutschen belegen in Untersuchungen über Zufriedenheit selten vordere Ränge - ungeachtet unserer Wirtschaftskraft.

Ich bin kein Experte im Ländervergleich. Aber dass Deutsche nicht so zufrieden sind, macht Briten wiederum zufrieden. Sie haben da ein schönes Wort: Schadenfreude. Wir haben das Wort nicht einmal im Englischen.

Was kann man konkret tun?

Haben moderne Menschen einfach zu viel Freiheit?

Da ist was dran. Wo sind die Grenzen unserer Freiheit? Wann gibt es ein Übermaß an Optionen? Wir sind Wesen, die viele kleine Situationen am Tag erleben. Diese zu gestalten führt zum Glück, nicht die Suche nach dem einen großen Ding.

Haben Sie konkrete Tipps, wie wir glücklicher werden, die Sie aus Ihren Untersuchungen gewonnen haben?

Mehrere!

Legen Sie los.

Schalten Sie Ihr Mobiltelefon ab. In Gesellschaft oder, wie ich, zwischen 19 und 7 Uhr. In den USA ist es bei Geschäftsessen mittlerweile nicht mehr unüblich, ein Smartphone-Spiel zu spielen: Wer als Erster dazu greift, um aufs Display zu sehen, hat verloren und zahlt die Rechnung.

Was noch?

Bleiben Sie bei einer Tätigkeit. Das Wechseln zwischen verschiedenen Tätigkeiten, und sei es von E-Mail zu Facebook, kostet wahnsinnig Energie. Dass schlägt auf die Dauer aufs Gemüt. Und verpflichten Sie sich öffentlich - zum Beispiel zum Abnehmen. Und es hilft tatsächlich, kleinere Teller zu nehmen.

Ist notiert. Noch was?

Ja. Hören Sie Musik. Dabei ist es ganz egal, welche Musik Sie hören, wir haben alle unterschiedliche Geschmäcker. Musik beeinflusst die Seele mehr als jede andere Form der Unterhaltung. Kino. Fernsehen. Alles fein - aber es geht nicht so tief.

Im Büro darf ich keine Musik hören, oder?

Dann legen Sie kurz einen Stift zwischen die Zähne, und zwingen Sie sich, damit zu grinsen. Das ist albern, aber auch dieses Grinsen macht Sie glücklicher.

Quelle: Wirtschaftswoche