Konzepte für Organisation und Governance

Wer vorsorgt, muss nicht restrukturieren

08.01.2014
Von 
Managing Partner bei Dewey & Partner in München

"Wir sind da schon restriktiv"

COMPUTERWOCHE-Redakteurin Karin Quack sprach mit Ralf van den Brock, CIO bei ThyssenKrupp Materials International, über Governance und Führungsmodelle.

CW: Was ist für Sie der Hauptunterschied zwischen harter Führung in der Aufbauorganisation und weicher Steuerung mittels Governance?

Van den Brock: Governance bedeutet, die Richtung über die tägliche IT-Arbeit hinaus aufzuzeigen. Sie dient als Leitfaden, um die Ziele des Unternehmens nachhaltig in der IT umzusetzen. Sie setzt Leitplanken und definiert den Handlungsspielraum der Mitarbeiter im Tagesgeschäft. Führung bedeutet Weisungsbefugnis. Ich habe ein direktes Führungsverhältnis gegenüber den IT-Mitarbeitern von ThyssenKrupp Materials Services weltweit. Aber in deren tägliche Arbeit kann ich ihnen nicht ständig hineinreden. Dafür ist Governance notwendig.

Ralf van den Brock, CIO bei ThyssenKrupp.
Ralf van den Brock, CIO bei ThyssenKrupp.
Foto: Van den Brock, ThyssenKrupp Materials

CW: Und an die dort festgehaltenen Regeln halten sich dann alle?

Van den Brock: Eine Governance umzusetzen ist umso herausfordernder, je weiter man sich den äußeren Schichten der "IT-Zwiebel" nähert. In einem großen Teilkonzern mit fast 30.000 Mitarbeitern können Sie mit Regeln ganze Aktenordner füllen. Aber durchsetzen lassen sie sich nicht immer zu hundert Prozent. Dazu brauchen Sie einen Hebel, sonst haben Sie nur ein beschriebenes Blatt Papier - und laufen Gefahr, dass die Lücke zwischen Governance und Realität immer größer wird.

CW: Was ist denn ein solcher Hebel?

Van den Brock: Das ist oft eine SAP-Einführung mit vorangegangener Harmonisierung und Standardisierung der Prozesse und Strukturen. Das SAP-Template von Materials Services ist mit über 7000 Anwendern eines der größten seiner Art. Wir haben es derzeit an etwa 300 unser 500 Standorte eingeführt. Im September 2017 wollen wir mit seiner Unterstüzung 97 Prozent des Umsatzes erzielen. Wer davon abweichen will, braucht gute Gründe.

CW: Sie brauchen auch gute Argumente, um die Bedeutung des Templates herauszustellen. Welche sind das?

Van den Brock: Sie müssen die Fachbereiche davon überzeugen, dass Sie das Prozessmodell auch dezentral umsetzen können. Dann müssen sie als zentrale IT nachweislich flexibel, produktiv und innovativ bleiben. Es ist auch hilfreich, wenn Sie den Anwendern klarmachen, welche Kosten ihre Change Requests verursachen. Und Sie müssen mit gutem Beispiel vorangehen; beispielsweise habe ich als CIO keine Admin-Rechte auf meinem eigenen PC. Last, but not least braucht es den unbedingten Willen des Vorstands zur Standardisierung und damit verbundenen Freigabe der strategischen Investitionsmittel.

CW: Welche konkreten Maßnahmen haben Sie umgesetzt, um die Standardisierung und Harmonisierung zu fördern?

Van den Brock: Wir beschränken uns beispielsweise strikt auf zwei Entwicklungszentren. Unsere Hardware ist zu großen Teilen ausgelagert. Außerdem haben wir eine starke interne Organisationsberatung etabliert: Rund 40 Mitarbeiter aus der Zentrale und aus unseren Tochtergesellschaften weltweit bilden das "Organisational Design", ein hauseigenes, auf Materials Services zugeschnittenes Business-Process-Consulting. Das ermöglicht es uns, zentral wie dezentral auf Augenhöhe mit dem Business zu reden.

CW: Trotzdem geht so etwas kaum ohne Widerstände ab.

Van den Brock: Sicher nicht. Wir sind da schon restriktiv. Schließlich geht es hier um kritische Geschäftsprozesse und um viel Geld. Dass wir dafür nicht überall geliebt werden, ist klar. Am Ende des Tages müssen aber bestimmte Prozesse im Sinne der Kosteneffizienz etabliert und geschützt werden. Und die Zeit arbeitet für uns: Je mehr Standorte unser Template eingeführt haben, desto einfacher wird die Argumentation. Was für 60 Prozent erfolgreich funktioniert hat, sollte auch den Rest überzeugen.

CW: In den anderen ThyssenKrupp-Gesellschaften auch?

Van den Brock: Das ist ein schwieriges Thema. Nicht alle Teilkonzerne sind mit dem Organisationsmodell von Materials Services vergleichbar. Wir haben allerdings viele Best-Practice-Beispiele, die im Konzern als Blaupause dienen können.

CW: Was raten Sie Ihren Nachahmern?

Van den Brock: Ziel und Inhalt einer IT-Organisation müssen klar beschrieben, der Benefit für den Kunden ersichtlich und die Unterstützung des Führungsgremiums uneingeschränkt sein. Wenn wir gefragt werden, wo wir 2016 oder 2017 stehen wollen, driften wir leicht ins Technische ab. Davon hat der Endanwender gar nichts. Wir müssen uns vielmehr ständig fragen: Wo stehen wir mit unseren Lösungen, wo wollen wir damit hin, wie können wir nachhaltigen Mehrwert für den Endanwender schaffen? - Immer mit Bezug auf das Business und auf dessen Anforderungen. (qua)