Zukunftsmarkt Biometrie

Wer bin ich?

09.12.2009
Von 
Alexander Freimark wechselte 2009 von der Redaktion der Computerwoche in die Freiberuflichkeit. Er schreibt für Medien und Unternehmen, sein Auftragsschwerpunkt liegt im Corporate Publishing. Dabei stehen technologische Innovationen im Fokus, aber auch der Wandel von Organisationen, Märkten und Menschen.

Audi und BMW fördern Biometrie im Auto

Im Gegenzug sind auch die Vorteile der Biometrie offensichtlich, denn für Nutzer wird die Authentisierung einfacher, weil sie auf bisherige Identifikationsmerkmale verzichten können. Der Fingerabdruck-Scanner in der Mittelkonsole sollte den Autoschlüssel ersetzen, plante etwa Audi Anfang des Jahrzehnts. Fahrersitz und Radiosender würden sich damit automatisch einstellen und die Wegfahrsperre lösen, so das Versprechen. Bei BMW setzt man aktuell auf die Gesichtserkennung durch eine Infrarotkamera, um das persönlich Telefonbuch und im Navi gespeicherte Routen freizuschalten sowie den Sitz, die Lenksäule und die Rückspiegel individuell einzustellen. Kameras sollen in einigen Jahren sogar den Gemütszustand des Fahrers deuten können und den Sekundenschlaf erkennen, damit die Bordelektronik selbsttätig eingreifen kann.

Ungeachtet dieser Innovationen im Fahrzeug stellt sich jedoch die Frage, wie sich der Fahrer gegenüber der Autotür authentisieren kann. Ein Schlüssel oder ein Funkchip sind vorerst immer noch nötig, um den Zugang zur biometrischen Kontrollstelle freizugeben. Damit wird den Anforderungen an eine starke Authentisierung Rechnung getragen, bei der in der Regel zwei der drei Fragen beantwortet werden müssen: Wer bin ich (Gesichtserkennung)? Was weiß ich (PIN)? Was habe ich (Autoschlüssel)? Für jeden Verkehrsteilnehmer sind drei Autoschlüssel am Bund gerade noch tolerierbar - wer jedoch ständig Passwörter ändern und sich merken muss, weiß die Vorteile der Biometrie zu schätzen. Und im Gegensatz zu einem Passwort oder einer PIN beziehungsweise einem Schlüssel oder einem Ausweis lassen sich biometrische Charakteristika nur sehr schwer übertragen.

Niemand wird sich gerne in einen Wagen der Oberklasse setzen, der angesichts einer schlechten biometrischen Trefferquote jeden zehnten Startvorgang verweigert, weil die Beleuchtungsverhältnisse schlecht sind oder der Fahrer eine Sonnenbrille trägt. Auch ein Gipsarm kann etwa biometrische Verfahren zur Schrifterkennung ad absurdum führen. Probleme bei der Identifikation sind lästig, aber nicht auf die Biometrie beschränkt - der Reset eines vergessenen Passworts ist schließlich das Kerngeschäft des User-Supports. Insofern ist "Plan B" auch bei biometrischen Verfahren an der Tagesordnung.

Ein alleiniger Ersatz für andere sichere Verfahren ist die Biometrie nicht, sondern eine Ergänzung. Jedes Verfahren zur Authentisierung hat Stärken und Schwächen, und es kommt auf die effektive Kombination an. Technisch ausgereift beziehungsweise kosteneffizient sind nur die wenigsten Ansätze. Dabei arbeiten die Entwickler daran, die Treffergenauigkeit zu steigern und den Aufwand zu senken. Insofern werden noch ein paar Jahre vergehen, bis man deutschlandweit seine Milch mit dem Fingerabdruck bezahlen kann. Was mit den bei der Transaktion im Hintergrund erhobenen Daten passiert, ist nur indirekt ein Problem der Biometrie. Dass diese als "natürliche Schnittstelle" zwischen Mensch und IT künftig an Bedeutung gewinnen wird, liegt aber auf der Hand.