IT-Outsourcing

Was muss raus?

06.09.2004
Von Lars Reppesgaard

Die BHS Tabletop verdient sogar auf Umwegen Geld dazu, nachdem sie sich entschlossen hat, ihre IT nicht mehr selbst zu betreiben.Mitte der neunziger Jahre litt die Firma Hutschenreuther 1814, aus der BHS hervor gegangen ist, unter der Billigkonkurrenz aus Osteuropa und Asien sowie unter ungünstigen Wechselkursen. Mitten in dieser schwierigen Situation versuchteman sich an einer großen SAP-R/3-Einführung - „und das ging total schief“, wie Thomas Rövekamp erzählt. Er ist einer von zwei Vorständen der BHS Tabletop AG, die 1998 entstand und heute mit mehr als 1000 Mitarbeitern 90 Millionen Euro Umsatz erwirtschaftet.

Um sich nicht noch einmal bei einem zu umfangreichen R/3-Projekt zu verheben und Luft für das Kerngeschäft zu haben, entschloss man sich, die gesamte IT auszulagern - an einen ungewöhnlichen Partner:Mit Rödl&Partner arbeitete man bereits im Bereich Wirtschaftsprüfung und Beratung zusammen, aber als IT-Dienstleister hatte das Nürnberger Unternehmen bis dahin keinerlei Erfahrung. Gemeinsam gründete man 1998 die HSB Systemhaus GmbH, die auch die ehemaligen IT-Mitarbeiter von Hutschenreuther/BHS übernahm. Der Porzellanhersteller ist bis heute mit 25 Prozent an dem Dienstleister beteiligt.

Vom Anwender zum Anbieter

„Wir haben von Beginn an darauf gesetzt, dass das Systemhaus auch andere Kunden akquiriert und wir mit unserer Beteiligung Geld verdienen“, sagt BHS Vorstand Röwekamp. Die Rechnung ging auf: DieMitarbeiterzahl des Systemhauses hat sich seit seiner Gründung auf 72 verdoppelt, und der Porzellanhersteller trägt statt ursprünglich 100 nur noch 40 Prozent zum Umsatz bei. Der Dienstleister kümmert sich nicht nur umdas Netzwerk und die gesamte SAP-Landschaft, sondern auch um die Technik und das Management von 500 PC-Arbeitsplätzen.

Wie viel die BHS Tabletop AG durch die gesamte Lösung im Vergleich zum Selbermachen spart, ist schwer zu beziffern, denn vor der Zusammenarbeit gab es keine vergleichbare IT-Landschaft.Michael Schiffmann, der zur Geschäftsleitung des Systemhauses gehört, geht von etwa 30 Prozent aus, BHS Vorstand Thomas Rövekamp hält das ebenfalls für realistisch.

Gute Anwendererfahrungen

Abgerechnet wird auf Basis eines Dienstleistungsvertrags. Lediglich Projekte von mehr als fünf Tagen und Anwendungsprogrammierungen, die pro Fall länger als 40 Stunden dauern, müssen extra bezahlt werden. Ein gemeinsames IT-Gremiumentscheidet, welche Projekte angegangen werden. Die Laufzeit des Vertrags beträgt vier Jahre. Schiffmann sagt, dass er es „bei dieser Größenordnung darunter auch nicht machen“ würde. „Wir sind zum Teil auch Leasinggeber, und wenn ich eine Maschine für 1,4 Millionen Euro verlease, dann brauche ich schon eine gewisse Planungssicherheit.“

Also Zufriedenheit allerorten? Das überrascht, denn lange war die Debatte um die IT-Auslagerung von Horrormeldungen geprägt. „2002 beispielsweise war zwar ein Rekordjahr für Outsourcing“, sagt Gianluca Tramacere, Analyst beim Marktforschungsunternehmen Gartner, „aber unglücklicherweise war es auch ein Rekordjahr für die Zahl der Firmen, die mit Outsourcing-Deals unzufrieden waren.“ Verträge, bei denen sich erst im Nachhinein herausstellte, wie teuer sie die Kunden kamen, und Klagen über die mangelnde Qualität der erbrachten Leistungen durch die Outsourcer, zum Beispiel bei der Belegschaft der Deutschen Bank, prägten das Bild.

Mittlerweile scheint sich das Klima gewandelt zu haben. Heute sind 85 Prozent der von Lünendonk und Techconsult Befragten mit ihrem Outsourcing-Anbieter zufrieden. „Aus Sicht der Anwender ist eine gute partnerschaftliche Zusammenarbeit mit dem Dienstleister der wichtigste Faktor für positive Erfahrungen“, sagt Frank Schmeiler, Berater bei Techconsult. „Bei den negativen Erfahrungen werden vor allem nicht eingehaltene Ziele, eine schlechte Abstimmung zwischen Kunde und Dienstleister sowie nicht eingehaltene Service- Level- Vereinbarungen genannt.“ Nur ein Prozent der Befragten will die IT wieder zurückins Haus holen.

Vieles ist schon Standard

Doch so weit vor wie die Komplettauslagerer bei B.r.a.h.m.s. oder BHS Tabletop wagen sich die wenigsten. Das Stichwort heißt Selective Outsourcing. Das Vorhalten und Pflegen von Internetseiten etwa überlassen laut der Lünendonk/ Techconsult-Untersuchung 54 Prozent der Befragten den Dienstleistern, 45 Prozent geben auch die Anwendungsentwicklung ganz oder teilweise in fremde Hände. 37 Prozent kümmern sich nicht selbst um das Managen von Geschäftsanwendungen, 33 Prozent haben die Server aus dem Haus gegeben. Vor allem die beiden letzten Bereiche würden immer stärker nachgefragt.