Warum die Commerzbank ihre IT behält

27.10.2004
Von 
Karin Quack arbeitet als freie Autorin und Editorial Consultant vor allem zu IT-strategischen und Innovations-Themen. Zuvor war sie viele Jahre lang in leitender redaktioneller Position bei der COMPUTERWOCHE tätig.

Annuscheit weist derartige Mutmaßungen ohnehin von sich: "Ich habe den Auftrag, die Dinge für die Commerzbank optimal zu gestalten, also eine vernünftige Sourcing-Strategie zu erarbeiten", stellt der amtierende Commerzbank-CIO klar. Für sich genommen sei er weder für noch gegen Outsourcing, aber er habe definitiv nicht vor, einem Trend hinterherzulaufen. Hinsichtlich der Gründe für den geplatzten Deal hält er sich bedeckt, lässt aber durchblicken, dass sie weder wie seinerzeit kolportiert nur auf der finanziellen Seite, noch bei einem speziellen Anbieter zu suchen sind.

"Ein Outsourcing über mehrere Glieder der Wertschöpfungskette, vom Rechenzentrumsbetrieb bis zur Anwendungsentwicklung, halte ich nicht für sinnvoll", konstatiert Annuscheit. Aus seiner Sicht läuft ein Finanzdienstleister bei einer derart breit angelegten Auslagerung Gefahr, seine Kernkompetenz zu verlieren. Für diese Unternehmen bedeute die IT schließlich weit mehr als nur ein Mittel zum Zweck: "Banken sind angewandte Informatonstechnologie."

Aus diesem Grund hält es der Chefinformatiker für wichtig, die Zügel in der Hand zu behalten. "Das heißt nicht unbedingt, dass man alles selbst machen muss", schränkt er ein. Doch um Kontrolle ausüben zu können, sei es besser, nicht zu viele Prozesse gleichzeitig auszulagern: "Sonst geht die Schnittstellen-Kompetenz verloren."

Die Flutwelle blieb aus

Als die Deutsche Bank vor zwei Jahren große Teile ihres IT-Betriebs an die IBM vergab, begannen in den Vorstandsetagen der gesamten Finanzbranche die Zahnräder zu knirschen: Das Argument der Kostenflexibilisierung war auf fruchtbaren Boden gefallen. Marktbeobachter sprachen damals von einem Dammbruch. Die große Flutwelle blieb jedoch aus. Nachahmer beschränkten sich zumeist auf ein partielles Outsourcing, beispielsweise eine Fremdvergabe der Desktop-Services oder den Einkauf IT-gestützter Einzelprozesse, beispielsweise des reinen Zahlungsverkehrs.

Die US-Bank J.P. Morgan wollte der Deutschen Bank nachfolgen, machte aber nach einem halben Jahr eine Kehrtwendung und betreibt ihre IT-Operations wieder selbst. Und wenn man den Gerüchten und Presse-berichten der vergangenen Monate Glauben schenken will, hat sich das Vorbild aller Outsourcing-willigen Banken selbst ein wenig vergaloppiert. Offenbar lassen sich die erhofften Einsparungen nicht so mir nichts, dir nichts in die Realität umsetzen.