VoIP-TK-Anlage zum Tiefstpreis

09.12.2004
Von 
Jürgen Hill ist Chefreporter Future Technologies bei der COMPUTERWOCHE. Thematisch befasst sich der studierte Diplom-Journalist und Informatiker derzeit mit aktuellen IT-Trendthemen wie KI, Quantencomputing, Digital Twins, IoT, Digitalisierung etc. Zudem verfügt er über einen langjährigen Background im Bereich Communications mit all seinen Facetten (TK, Mobile, LAN, WAN). 
TK-Anlagen für Vocie over IP müssen nicht teuer sein. Mit "Asterisk" ist eine kostenlose Open-Source-Anlage für Linux erhältlich, die auf PC-Hardware basiert.

Hier lesen Sie...

  • wie Sie eine VoIP-TK-Anlage ohne die klassischen Anbieter realisieren;

  • welche Vorteile eine Linux-TK-Anlage bringt;

  • wie Asterisk aufgebaut ist;

  • welche Erweiterungsmöglichkeiten es gibt;

  • wo die Schwachstellen liegen;

  • wer Asterisk-Systeme anbietet.

Einst waren die Verfechter der IP-Telefonie mit dem Versprechen angetreten, den Anwender aus dem Joch der traditionellen TK-Anlagenbauer und ihrer proprietären Lösungen zu befreien. Mit der Migration zu VoIP sollten nicht nur Daten- und TK-Welt verschmelzen, sondern die Anwender auch ihre TK-Nebenstellenanlagen (Private Branch Exchanges = PBX) flexibel und kostengünstig an ihre Bedürfnisse anpassen können. Doch mittlerweile kosten VoIP-TK-Anlagen fast genauso viel wie eine klassische PBX. Zusatzfunktionen lassen sich häufig nur durch den Erwerb kostenpflichtiger Lizenzschlüssel freischalten oder durch den Zukauf weiterer Geräte realisieren. Und so mancher Hersteller kocht mit Protokollerweiterungen wie SCCP (Skinny Client Control Protocol von Cisco) sein eigenes proprietäres Süppchen.

Vor diesem Hintergrund erscheint die Idee, eine VoIP-TK-Anlage als Open-Source-Projekt auf Basis von Linux zu entwickeln, durchaus einleuchtend. Mit Asterisk hat sie der Amerikaner Mark Spencer in die Tat umgesetzt. Dabei steht der Name nicht für die weltberühmte kleine rebellische Comicfigur aus Gallien, sondern für das Symbol "*" (englisch "asterisk", französisch "astérisque" = "Sternchen"), das unter Unix und DOS in der Befehlssyntax als universeller Platzhalter (wildcard) verwendet wird. Universell ist auch der Anspruch von Asterisk, denn die Softwareplattform bildet sowohl eine klassische TK-Anlage als auch ein VoIP-System auf einem Server ab und wächst dank ihrer Skalierbarkeit mit den Anforderungen der Anwender. Gleichzeitig soll die Anlage durch ihren modularen Aufbau und die Verfolgung des Open-Source-Gedankens in Sachen Applikationsentwicklung in die verschiedensten Richtungen weiterentwickelt werden können. Ein Beispiel hierfür ist die Integration von

ACD-Anwendungen (Automatic Calling Distribution), um etwa mit Asterisk Call-Center zu realisieren.

Der Startschuss für die Entwicklung fiel, als Spencer für sein damaliges Unternehmensprojekt "linux-support.net" eine TK-Anlage suchte und ihm die klassischen Angebote zu teuer waren. Ihm schwebte deshalb eine softwarebasierende PBX vor, die auf einem günstigen Intel-PC läuft, Linux als Betriebssystem verwendet und mit dem öffentlichen Telefonnetz über ISDN- oder Primärmultiplexkarten verbunden ist. Doch selbst der Preis für die entsprechenden Einsteckkarten erschien Spencer letztlich zu hoch, so dass er sich Jim Dixon vom Zapata Telephony Project ins Boot holte, um einfachere und damit günstigere Interface-Karten zu entwickeln. Ihr Ansatz dabei war, einen Teil der TDM-Rechenaufgaben (TDM = Time Division Multiplexing), den bislang teure, proprietäre Digital-Signal-Prozessoren (DSPs) übernahmen, von den Karten

auf die immer leistungsfähigeren CPUs der PCs zu verlagern. Als Ergebnis dieser Überlegungen entstand mit "Zaptel" bei Zapata eine Art Pseudo-Interface-Karte für den Anschluss an das Telefonnetz. Später gründete zudem Spencer mit Digium eine eigene Firma, die preisgünstige Zaptel-Hardware baut. Diese Vorgehensweise, TDM-Aufgaben auf die CPU eines Host-Rechners zu verlagern, verfolgt auch die erst kürzlich von Intel vorgestellte Architektur Host Media Processing (HMP).