Oxford-Professor im Interview

"Virtual Reality ist ein therapeutisches Medium"

21.08.2023
Von 
Matthew Finnegan lebt in Großbritannien und schreibt für unsere US-Schwesterpublikation Computerworld zu den Thema Collaboration und Enterprise IT.

"Die beliebteste Therapieform"

Welche weiteren Herausforderungen gibt, wenn es um die Behandlung psychischer Erkrankungen mit VR geht? Was muss Ihrer Ansicht nach passieren, damit diese Therapieform den Weg in den Alltag und zu einer großen Zahl von Patienten findet?

Freeman: Zunächst muss die Technologie im Rahmen klinischer Studien überzeugen. Im nächsten Schritt gilt es, entsprechende Umsetzungspläne für die jeweiligen Healthcare-Institutionen zu entwickeln. Ich vermute, dass wir zunächst mit einer Reihe von Demonstrationseinrichtungen beginnen werden.

Es gibt diesbezüglich keine besonders großen Hindernisse, natürlich muss man sich beispielsweise mit Themen wie Informationsmanagement und Security auseinandersetzen. Im Moment besteht dennoch die größte Aufgabe darin, entsprechende Veränderungen in den Gesundheitssystemen anzustoßen.

Wie beurteilen Sie allgemein den Reifegrad von VR-Headsets?

Freeman: Ich habe im Jahr 2001 damit begonnen, mich mit VR auseinanderzusetzen. Damals waren die Headsets noch handgefertigt und kosteten um die 30.000 Euro - exklusive der nötigen Tracking-Systeme und sonstiger Hardware. Aus dieser Perspektive betrachtet sind aktuelle Standalone-VR-Headsets also hervorragend.

Wir sind jetzt an einem Punkt angelangt, an dem wir im Rahmen unserer Entwicklungsarbeit die Headsets den Patienten für die Nutzung zuhause überlassen. Einerseits, weil diese erschwinglich genug sind, andererseits weil sie inzwischen auch einfach genug zu bedienen sind. Als wir unsere eigene Studie durchgeführt haben, mussten wir noch Sensoren im Raum aufstellen und dergleichen. Standalone-Geräte machen einen großen Unterschied und ich denke die Hardwrae ist inzwischen reif genug, um VR-Therapien in die Tat umzusetzen. Zumindest was die technische Seite angeht - wenn es um die Ergonomie geht, kann es in manchen Fällen noch zu Problemen kommen.

Die Patienten nehmen die Psychotherapie in virtuellen Welten bislang vorwiegend gut an.
Die Patienten nehmen die Psychotherapie in virtuellen Welten bislang vorwiegend gut an.
Foto: University of Oxford / Oxford VR

Wie steht es um die Akzeptanz der Technologie unter den Patienten, die sie nutzen?

Freeman: Sie sind begeistert - es ist die beliebteste Therapieform. Offensichtlich haben sehr viele Menschen noch nie VR selbst erlebt - sie sind erstaunt darüber, wie immersiv die virtuellen Welten sind. Die Leute fühlen sich wertgeschätzt, weil sie die Technologie nutzen können und haben daran Spaß. Die Akzeptanzrate ist entsprechend sehr hoch. Auch wenn eine VR-Psychotherapie natürlich bei weitem nicht jedermanns Sache ist.

Wenn wir von automatisierten Behandlungen sprechen: Welches Potenzial sehen Sie in der Kombination von Generative AI und Virtual Reality? Könnte das künftig für noch realistischere Interaktionen und Erfahrungen von Nutzen sein?

Freeman: Ich denke, das wird die nächste große Welle sein. Und ohne Zweifel könnte das zu noch realistischeren Experiences beitragen. Mit einem virtuellen Therapeuten in automatisierter Form könnte das gut funktionieren - und ich bin mir sicher, dass das kommen wird.

Forschen Sie in diesem Bereich bereits?

Freeman: Zumindest beobachten wir die Entwicklung sehr genau. Im Moment konzentrieren wir uns jedoch gerade darauf, einige andere gute Erkenntnisse umzusetzen, die nichts mit generativer KI zu tun haben.

Dieser Beitrag basiert auf einem Artikel unserer US-Schwesterpublikation Computerworld.