Blackberry-Chef Lazaridis

Vergesst das iPhone!

24.11.2009
Von 
Jürgen Hill ist Chefreporter Future Technologies bei der COMPUTERWOCHE. Thematisch befasst sich der studierte Diplom-Journalist und Informatiker derzeit mit aktuellen IT-Trendthemen wie KI, Quantencomputing, Digital Twins, IoT, Digitalisierung etc. Zudem verfügt er über einen langjährigen Background im Bereich Communications mit all seinen Facetten (TK, Mobile, LAN, WAN). 

Textbasiert gegen Apples Icon-Wahn

CW: Ihr Vergleich gefällt mir - vor rund einem Jahr erzählte uns RIM, dass man auch in die andere Welt wolle. Warum ändern Sie dann nicht die Benutzeroberfläche des Blackberry, um der Entertainment-Welt gerecht zu werden? Hinter den paar bunten Icons ist Ihr System ja textbasiert.

Zweiter Anlauf: Nachdem RIMs erster Versuch eines Touchscreen-Handys, der Storm 1, viel Kritik erntete, wagt das Unternehmen jetzt den zweiten Versuch.
Zweiter Anlauf: Nachdem RIMs erster Versuch eines Touchscreen-Handys, der Storm 1, viel Kritik erntete, wagt das Unternehmen jetzt den zweiten Versuch.

Lazaridis: Wir entwickeln unsere Benutzeroberfläche ständig weiter. Ich glaube aber nicht, dass ein anderes User Interface signifikante Auswirkungen auf unsere Verkaufszahlen hätte. Zumal die Blackberry-Bedienung sehr einfach ist, wenn Sie ein paar Minuten mit dem Gerät gearbeitet und das Prinzip verstanden haben. So funktioniert Cut and Paste mit allen Anwendungen, und wir beherrschen echtes Multitasking. Komplexe Aufgaben lassen sich also sehr einfach und effizient lösen.

CW: Thema Web-Browsing, da ist Ihnen die Konkurrenz doch meilenweit voraus. Welche Verbesserungen planen Sie?

Lazaridis: Ja, es gab viel Kritik. Wir verbessern aber ständig unseren Browser.

CW: Und wie sieht es mit Widgets aus?

Lazaridis: Ich habe Widgets schon gesehen. Aber warten Sie ab, demnächst findet ja unsere Entwicklerkonferenz statt.

CW: Wir sprachen über neue Wettbewerber. Wie halten Sie angesichts von Apples App-Store oder Android-Market die Entwickler bei der Stange?

Lazaridis: Ganz einfach, ich argumentiere damit, dass wir die einzige offene, Java-konforme Plattform haben, letztlich bieten wir die einzige standardisierte Plattform des Marktes. Unsere J2EE-Konformität wurde auch von Sun zertifiziert. Zudem haben wir über 65 Millionen Blackberries verkauft, damit haben wir die größte Smartphone-Community des Marktes, die für Entwickler eine interessante Zielgruppe ist. Wir haben über 1000 registrierte unabhängige Softwarehäuser, die Applikationen für unseren Marktplatz schreiben.

CW: Und Ihnen rennen wirklich nicht die Entwickler davon zum App-Store?

Lazaridis: Nein, wirklich nicht. Die iPhone-Vorstellung hat uns eher mehr Entwickler gebracht, als diese verstanden, dass wir eine offene standardbasierte Plattform bieten. Bereits bevor es das iPhone gab, existierten im Web zahlreiche Seiten, die Blackberry-Anwendungen per Download vermarkteten. Diese Shops gab es bereits Jahre vor dem iPhone und dem Appstore. Für diese Shops programmierten rund 800 Entwickler. Und die Programme waren hochwertige Enterprise-Applikationen und nicht nur Gimmicks. Und das war schon in der Vergangenheit ein sehr lukratives Geschäft, denn im Schnitt wurden pro Blackberry Zusatzapplikationen für rund 100 Dollar verkauft. Allerdings hat die Öffentlichkeit davon nichts mitbekommen, da diese Anwendungen oft projektbezogen oder als Enterprise-Lizenz vermarktet wurden.

CW: Und heute?

Lazaridis: Der Applikationsmarkt hat sich geändert. Jetzt ist es ein Massenmarkt mit vielen billigen Anwendungen. Aber das ist ein Consumer-Markt. Für ernsthafte Entwickler gibt es immer noch das Enterprise-Segment, das für diese und die Blackberry-Entwickler eine sehr lukrative und profitable Nische bleibt.

CW: Wie viele Applikationen sind das konkret?

Lazaridis: Wir haben mit über 3000-Blackberry-Applikationen sicher nicht die Menge an Anwendungen wie andere Plattformen. Dafür haben wir die Premium-Applikationen. Und das sind Programme, die eng mit unserem Push-Dienst verwoben sind. So ist etwa der Facebook-Client für den Blackberry die einzige mobile Facebook-Anwendung die mit einem echten Push-Verfahren aufwartet.

CW: Zum Abschluss ein Blick nach Deutschland. Welche Gründe führten zum RIM-Engagement in Bochum? Nokia flüchtete ja von dort nach Rumänien, weil die deutschen Arbeitskosten angeblich so hoch sind. Gingen Sie da kein hohes Risiko ein?

Lazaridis: Nein, die Entscheidung zugunsten von Bochum war kein Risiko. Wir fanden hier ein hochmotiviertes Kernteam (Anm. d. Red.: bestehend aus ehemaligen Nokia-Mitarbeitern) vor. Ferner hat Deutschland eine sehr hohe Reputation in Sachen Engineering, und die Mitarbeiter wissen hart zu arbeiten. So stimmte etwa das Team in Bochum seine Arbeitszeiten mit dem kanadischen Team in Waterloo ab, so dass beide länger zusammenarbeiten konnten. Dazu arbeitete man in Bochum abends länger und fing in Waterloo früher an.

CW: Zum Schluss noch eine Frage, Schalten Sie Ihren Blackberry auch mal ab?

Lazaridis: Nein, aber ich habe gelernt, effizient mit den Filtermöglichkeiten zu arbeiten. So erreichen mich die Nachrichten meiner Frau und Kinder immer - andere dagegen nicht.