VC-Firmen entdecken das Risiko

13.03.2002
Von 
Riem Sarsam war Redakteurin des CIO-Magazins.

Die Begeisterung für unerschlossene Branchen ist damit der Betrachtung bereits existierender  Märkte gewichen. Statt in Firmen zu investieren, die noch kein fertiges Produkt, geschweige denn Kunden, vorweisen können, besinnt man sich in VC-Kreisen lieber auf Bewährtes und investiert das Geld in Firmen, die bereits die erste Finanzierungsrunde hinter sich gebracht haben.

Die Tendenz dazu zeigte sich bereits im vergangenen Jahr: In den ersten neun Monaten 2001 erhielten gerade einmal 80 Firmen eine Seed-Finanzierung, also die Hilfe zum Aufbau eines Betriebs, von den BVK-Mitgliedern. Damit liegen sie mit ihren europäischen Wettbewerbern auf einer Linie: "Im Jahr 2000 machten die Seed- und Erstrundenfinanzierungen noch rund 70 Prozent der europäischen VC-Geschäfte aus", erläutert Ives Brand, Chefredakteur der VC-Zeitschrift „Tornado Insider“. Im abgeschlossenen Geschäftsjahr rutschte diese Quote auf weniger als ein Drittel des gesamten investierten Kapitals.

Last, but not least relativierte sich auch der Faktor Zeit. Zumindest vorerst scheint innerhalb der VC-Branche wieder mehr Ruhe eingekehrt zu sein. Statt wie früher ein paar Wochen dauert eine Due-Dilligence-Prüfung inzwischen gerne wieder einige Monate. Gleiches gilt für den Zeitraum, der einem Unternehmen bis zur Markt- beziehungsweise Börsenreife zugestanden wird. Niemand in der VC-Branche spricht mehr davon, eine Firma innerhalb von zwei Jahren von der Produktentwicklung bis zum Börsengang bringen zu wollen. Zeiträume von mindestens fünf Jahren werden nun als realistisch erachtet.

Ganz freiwillig dürfte dies allerdings nicht geschehen. Durch die Konjunkturschwäche sind die Verkaufsmöglichkeiten von Beteiligungen nicht gerade rosig. Konzerne und deren Corporate-Venture-Töchter als potenzielle Käufer von jungen Unternehmen halten sich wegen der Rezession bedeckt. Und auch der eigentliche Königsweg, der Exit über einen Börsengang, ist gegenwärtig blockiert. Da zudem vor der zweiten Jahreshälfte niemand ernsthaft eine konjunkturelle Erholung erwartet, drängt ohnehin nichts zur Eile.

Risiko im Griff

Als Maßnahmen zur Diversifizierung der Risiken bieten sich eine Reihe von Strategien an. In einem von der Münchner VC-Gesellschaft Target Partners organisierten Roundtable nannten die Experten vier konkrete Vorgehensweisen, mit denen die Kapitalgeber gegenwärtig operieren.

Größere Reserven: In der Anfangsphase sollten VCs höchstens die Hälfte ihres gesamten Fondsvolumens in Unternehmen finanzieren und sich damit Spielraum für Folge- und Neuinvestitionen offen halten.

Risikokopplung: Die Höhe der Beteiligung muss enger mit der Risikoeinschätzung verknüpft werden. Je größer die Gefahr, dass eine Investition in den Sand gesetzt wird, desto geringer wird der Einsatz. Die französische Gesellschaft Sofinnova beispielsweise investiert in riskante Engagements höchstens drei Prozent: „Dadurch schaffen wir ein breites Portfolio, das uns besonders in Krisenzeiten absichert“, begründet Olivier Protard, General Partner bei Sofinnova, die Regel.

Co-Venturing: Eine andere Form der Risikostreuung wollen VCs durch mehr Zusammenarbeit erreichen. Co-Venturing ist nicht neu, immerhin handelt es sich um eine Szene, in der „man sich kennt“. Doch der Hype der Jahre 1999 und 2000 hatte auch unter den einzelnen Gesellschaften mehr Wettbewerb entfacht. Schließlich träumte jeder davon, den dicken Fisch an die Angel zu bekommen. Inzwischen heißt es wieder, dass der deutsche Markt groß genug für alle sei. Mit verschiedenen Kapitalgebern in einem Boot veringert sich die Höhe des eingesetzten Kapitals, Fachwissen wird gebündelt und das Risiko auf mehrere Schultern verteilt.

Hierarchien: Um Kompetenzstreitigkeiten unter den VCs zu verhindern, wird die Beteiligung in Lead- und Co-Investments geteilt. Der Lead-Investor ist für die Marschrichtung und die aktive Betreuung des Unternehmens verantwortlich. Auch nach der Finanzierung beschränkt sich der Kontakt zwischen den Kapitalgebern nicht nur auf die finanzielle Ebene. "Wenn eine schwierige Phase eintritt - und die tritt bei jedem jungen Unternehmen ein -, wird die Bewältigung mit mehreren Investoren leichter", erklärt Patrick Meininger von Wellington Partners.