Hays-Report

Unternehmen optimieren Prozesse statt Arbeitskultur

01.03.2022
Von 
Hans Königes war bis Dezember 2023 Ressortleiter Jobs & Karriere und damit zuständig für alle Themen rund um Arbeitsmarkt, Jobs, Berufe, Gehälter, Personalmanagement, Recruiting sowie Social Media im Berufsleben.
Zeit- und Personalmangel setzen Arbeitgeber unter Druck und das Management kümmert sich in erster Linie um das Kerngeschäft, statt sich mit Zukunftsthemen auseinanderzusetzen.
Arbeitgeber tun sich keinen Gefallen damit, wichtige Investions- und Innovationsprojekte aus Zeitmangel zu verschieben.
Arbeitgeber tun sich keinen Gefallen damit, wichtige Investions- und Innovationsprojekte aus Zeitmangel zu verschieben.
Foto: Leremy - shutterstock.com

Demographie und Digitalisierung verändern die Arbeitskultur. Wie diese Situation den Kampf um die knappen Ressourcen Zeit, Geld und Personal verschärft, welche Prioritäten Unternehmen dabei setzen und mit welchen Maßnahmen sie dem begegnen, hat der aktuelle HR-Report "Organisationen unter Druck" untersucht.

Im Hinblick auf die wichtigsten Ziele stehen bei den befragten Unternehmen aktuell klassische Themen wie Umsatzsteigerung (44 Prozent) und die Stabilisierung des Kerngeschäfts (38 Prozent) eindeutig im Fokus. Vieldiskutierte Zukunftsthemen wie Ökologie, Nachhaltigkeit oder Vielfalt haben laut Report eine eher nachrangige Bedeutung. Das lässt den Rückschluss zu, dass Themen wie Vielfalt und Nachhaltigkeit in wirtschaftlich guten Zeiten auf den Plan kommen. Wenn der Umsatz stagniert oder rückläufig ist, verlieren diese Bereiche in der Chefetage an Bedeutung.

Zeit- und Personalmangel als größte Stolpersteine

Ressourcenmangel belastet die Unternehmen vor allem bei Zeit und Personal. Aufgrund des anhaltenden Fachkräftemangels sehen 33 Prozent der befragten Manager vor allem den zeitlichen Faktor als größte Herausforderung an. Genauer betrachtet, befinden sich der zeitliche und personelle Mangel in einer gegenseitigen Abhängigkeit. 39 Prozent der Befragten geben an, die Anzahl ihrer Projekte nehme zu, gleichzeitig führen 36 Prozent an, zu wenig Personal für die anstehenden Aufgaben zur Verfügung zu haben.

Um dem zeitlichen Dilemma zu entkommen, will die Mehrheit der Befragten nochmals die internen Prozesse optimieren. 30 Prozent geben an, sich verstärkt um die Rekrutierung neuer Mitarbeiter kümmern zu wollen. Interessanterweise scheinen die Befragten sich der hohen Arbeitslast ihrer Mitarbeitenden zwar bewusst zu sein, greifen dann aber zu Maßnahmen, die diese Situation nur indirekt verbessern.

Ansätze, die hingegen unmittelbar auf eine verbesserte Arbeitskultur einzahlen würden, wie die Erweiterung des Arbeitsvolumens durch flexible Arbeitsmodelle oder Work-Life-Integrationskonzepte, werden wiederum als nachrangig betrachtet. Auch KI oder Roboter werden von den Unternehmen bisher wenig genutzt, um dem Zeitmangel entgegenzuwirken.

Unternehmen setzen eher auf Rekrutierung als auf Weiterbildung

Dem Mangel an Personal, insbesondere bei Nachwuchstalenten, wollen die befragten Führungskräfte hauptsächlich mit Neueinstellungen begegnen. Ein Drittel der Befragten setzt auf Prozessoptimierungen. Für gerade einmal 29 Prozent der befragten Führungskräfte steht die Bindung bestehender Mitarbeiter im Fokus. Sie investieren gezielt in die Entwicklung ihrer Belegschaft und der eigenen Arbeitskultur. Upskilling, Reskilling und Weiterbildungen spielen bei den Lösungsansätzen bisher noch eine untergeordnete Rolle. Angesichts der rasanten Veränderung bestehender Berufsbilder und Anforderungsprofile sollte dieses Ergebnis Arbeitgbern zu denken geben, heißt es in der Studie.

"Den meisten Unternehmen fehlt es an einer Vision für eine neue Arbeitskultur. Sie scheinen Lösungen eher aus ihren bestehenden Strukturen heraus entwickeln zu wollen", kommentiert Hays-CEO Dirk Hahn das Ergebnis. Langfristiger Erfolg benötige die Flexibilität für neue Geschäftsansätze und Investitionen in Innovation und Unternehmenskultur. Gerade beim Stichwort Fachkräftemangel sollten Themen wie Vielfalt, Nachhaltigkeit, Mitarbeiter- und Kulturentwicklung im Fokus stehen. Es gelte nicht nur, neue Fachkräfte zu gewinnen, sondern diese auch langfristig ans Unternehmen zu binden und ihre Kompetenzen kontinuierlich weiterzuentwickeln.

Investitionen fließen in Digitalisierung und Prozesse

Auf die Frage, in welche Bereiche Unternehmen derzeit am meisten investieren, liefert die Studie erwartbare und auch überraschende Ergebnisse. Verstärkt durch die Pandemie stehen Investitionen in Digitalisierung mit 57 Prozent und in Prozessoptimierung mit 51 Prozent im Fokus. Auf Platz drei folgen Investitionen in die Personalentwicklung. Weit abgeschlagen liegen Bereiche wie CO2-Neutralität, Diversity Management und Corporate Social Responsibility.

Befragt man die Studienteilnehmenden weiter nach ihren Beweggründen für ihre Investitionen, führen wiederum "harte Themen" wie Effizienz- und Effektivitätssteigerung deutlich. Nur 29 Prozent der Befragten investieren in ihre Attraktivität als Arbeitgeber. "Der HR-Report zeigt, dass für viele Unternehmen harte Fakten wie Umsatz und Effizienz den Ton angeben", so Hahns Beobachtung. Das sei verständlich, aber zu kurz gedacht. Themen wie Klimaneutralität und Vielfalt stünden zwar auf der Agenda, aber nicht ausreichend im Fokus strategischer Investitionen. Hier bestehe Nachholbedarf.

Der HR-Report 2022 liefert Antworten darauf, mit welchen Maßnahmen Unternehmen der jeweils knappen Ressourcen begegnen wollen und in welche Bereiche genau investiert werden soll. Hierzu befragte die Personalberatung Hays in Zusammenarbeit mit dem Institut für Beschäftigung und Employability (IBE) 978 betriebliche Entscheiderinnen und Entscheider aus der DACH-Region. Der komplette HR-Report kann hier heruntergeladen werden.