COMPUTERWOCHE-CeBIT-Diskussion: Nie mehr New Economy?

Trotz Pleiten und Blessuren: "Wir bereuen nichts"

28.03.2001
Von in Ingrid
Philipp Schäfer
Philipp Schäfer

Die Ursachen für das Scheitern von so manchem Startup lassen sich nicht mit einfachen Formeln erklären. „Führungskompetenz hängt nicht vom Alter ab“, so Klaus Grefe, für den das jugendliche Alter einiger Chefs nicht als Problemerklärung ausreicht. „Allerdings gehört zur Personalarbeit auf jeden Fall Berufserfahrung dazu“, ergänzt er. Für den IG-Metaller Wolfgang Müller gibt es am Leitungs- und Organisationsverhalten von einigen jungen Chefs der Startup-Szene einiges auszusetzen. In den fehlenden Strukturen und Führungsqualifikationen sieht Müller Schwachpunkte: „Die langen Arbeitszeiten sind ein Problem für die Mitarbeiter.“

Salzberg sieht solche Beschwerden sehr kritisch. „Die Mitarbeiter wussten, worauf sie sich einlassen, wir haben nichts beschönigt“, so die Firmengründerin. Über ihr eigenes Engagement sagt sie: „Anfangs gibt man alles.“ Bruno Rücker, neuer Vorstandsvorsitzender der Openshop AG, wechselte nach über 20 Jahren bei CSC Ploenzke zur New Economy. Die Krisenstimmung am Neuen Markt hat ihn nicht abgeschreckt. „Startups kann man nicht mit den gleichen Maßstäben messen wie Traditionsunternehmen“, so Rücker im Hinblick auf die Kritik an den jungen Unternehmern.

Bei IG-Metall-Mann Müller kommen die jungen Chefs nicht so glimpflich davon. Er verdächtigt viele Unternehmen der Startup-Szene, dass sie ihre Mitarbeiter mit falschen Versprechungen und heute wertlosen Aktienoptionen geködert haben. Dafür mussten die Leute endlose Arbeitszeiten in Kauf nehmen. Momentan überlegt die IG Metall, eine exemplarische Klage zu führen, denn ihrer Meinung nach ist die Bezahlung mit mittlerweile großteils wertlosen Aktienoptionen sittenwidrig. Allerdings sind die Gründer entschieden anderer Meinung. „Alle, die sich für die Arbeit bei einem Startup entschieden, wussten, worauf sie sich einlassen.“ Salzberg ergänzt: „Aktienoptionen waren nie ein Köder, sondern immer eine zusätzliche Leistung.“

Für den Personalberater Grefe gab und gibt es bei einigen neu gegründeten Unternehmen den Mythos vom Arbeiten ohne Ende und für die Mitarbeiter einen informellen entsprechenden Zwang. „Vor etwa einem Jahr war der Mythos vorbei, denn die Qualität leidet auf Dauer darunter“, erzählt Phillipp Schäfer aus eigener Erfahrung. Alexander Samwer sieht es ähnlich. In seinem ersten Unternehmen hätten Mitarbeiter und Firmengründer teilweise rund um die Uhr gearbeitet, bei der Jamba AG gebe es neue Arbeitsmodelle. „Ein ausgeglichener Lebensstil ist wichtig, obwohl es auch längere Arbeitstage gibt. Die 60-Stunden-Woche gehört der Vergangenheit an“, so Samwer heute.

Nur: Wie erkennen Bewerber, ob das ausgesuchte Unternehmen nich doch an den überlangen Arbeitszeiten festhält? Grefe rät, sich den Business-Plan genau anzusehen und in Stellenausschreibungen aufmerksam zwischen den Zeilen zu lesen. Alexander Samwer spürt bereits, dass die Bewerber kritischer geworden sind. Sie fragen heute im Vorstellungsgespräch genauer nach. „Gute Leute muss ich überzeugen, dass sie zu uns kommen.“ Allerdings sei auf Bewerberseite das Verständnis für die New Economy sehr groß, und die Krise schrecke längst nicht alle ab.

Noch gehören flache Hierarchien und viel Eigenverantwortung zu den großen Vorteilen der Startup-Szene. „Jeden Mitarbeiter als eigenen Unternehmer zu sehen, halte ich für reinen Quatsch“, so Müller. Mit solchen Modellen werde die Verantwortung vom Management auf die Mitarbeiter abgewälzt. Mit seinen traditionellen Vorstellungen stand der Gewerkschaftler in der Diskussionsrunde ziemlich alleine da. „Die Mitarbeiter müssen den unternehmerischen Geist verstehen und nicht nur die Richt- und Leitlinien“, entgegnet Rücker entschieden.

Auch die jungen Firmengründer halten die alten Konzepte für gefährlich. Gerade mache sich in Deutschland eine neue Stimmung breit, die mehr Unternehmensgründungen ermögliche, und schon werden die Bemühungen im Keim erstickt. „Ein Unternehmen gründet man, damit es langfristig da ist“, so Schäfer. „Arbeitnehmer müssen sich genau ansehen, wo sie hingehen.“ Trotz aller Schwierigkeiten der New Economy sind die Gründer sich einig: „Wir bereuen nichts, es war eine wunderbare Chance.“